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Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)

Titel: Adelheid von Lare: Historischer Roman um die Stifterin des Klosters Walkenried (German Edition)
Autoren: Simone Knodel
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sich vorm Tor und diskutierten lautstark. Schließlich hörten sie Graf Beringer einige energische Kommandos geben, worauf es stiller wurde. Als die beiden Mädchen außer Atem am östlichen Torhaus ankamen, setzte sich die Reitertruppe gerade in Bewegung. Adelheid kletterte am verdutzten Torhüter vorbei in Windeseile die steile Leiter hinauf, um von der Aussichtsplattform des massiven Steinhäuschens besser sehen zu können. Magdalena folgte ihr.
    „Sie teilen sich, sieh doch!“ Adelheid wedelte aufgeregt mit den Armen. „Der Ritter reitet mit seinem Gefolge gen Westen, Vater dagegen in Richtung Süden.“
    Im Stillen war ihr diese Variante ganz recht, der Ritter würde Fortunata in ihrer Hütte finden und von dort aus die Spuren aufnehmen, ihr Vater wollte den eventuell fliehenden Verbrechern offenbar im Süden den Weg abschneiden. Aus unbestimmtem Grund hoffte sie, dass der Vater Fortunatas Leiche nicht zu sehen bekam. Sie wollte nicht, dass er jemals erfuhr, was sie hatte sehen müssen. Wieder fühlte sie den eisernen Griff einer Faust an ihrem Herzen.
    Energisch schüttelte sie die grausamen Bilder ab und reckte die Nase in den Wind. Ein Frühlingssturm zog auf und wirbelte die allerletzten rostroten Blätter des Vorjahres von den Buchen. Am Himmel jagten schwere graue Wolken von Westen her auf sie zu. Die schon tief stehende Sonne malte ihnen rosa Fransen an die Ränder. Versunken in die schnelle Bewegung der Wolken schwindelte ihr und sie schlang ihre Arme taumelnd um Magdalena, die sie traurig ansah. Adelheid fragte sich, ob das Mädchen vielleicht schon immer stumm gewesen sei, sie konnte so viel mit ihren Augen sagen, dass es fast keiner Sprache bedurfte.
    „Komm, jetzt zeige ich dir die Kemenate, wo auch du wohnen wirst. Mein Bett ist so groß, da ist Platz für uns beide! Alwina hat gewiss schon Decken für dich besorgt.“
    Doch bevor sie die Räume im oberen Stockwerk aufsuchten, schlug Adelheid den Weg zur nördlichen Burgmauer ein.
    „Mein Lieblingsplatz! Vater sieht es nicht gern, wenn ich hier oben sitze. Dabei ist es herrlich!“
    Sie schwang sich auf die Mauerkrone und half Magdalena hinauf. „Schau diese Aussicht! Ist sie nicht wunderbar?“
    Sie wartete inzwischen nicht mehr auf eine Antwort, sie hatte sich daran gewöhnt, dass Magdalena nicht sprach. Umso schneller und eifriger plapperte sie selbst, denn sie fürchtete sich vor der Stille, in der vielleicht die Bilder vom Vormittag wiederkommen würden. Der Wind fauchte hier an der nordwestlichen Seite nur noch ungehemmter über den Bergsporn. Jede neue Böe raubte ihr den Atem und riss ihr die Wortfetzen förmlich von der Zunge. Sie ahnte, dass Magdalena sie kaum verstand, aber das war auch nicht so wichtig. Sie hatte ohnehin das Gefühl, das alles was sie von sich gab, nur unnütze Worte waren.
    Plötzlich packte Magdalena sie am Arm und deutete in die Richtung, in der sich das Tal zu Füßen der Mädchen nach Westen hinzog. Zunächst glaubte Adelheid, dass sie ihr die untergehende Sonne zeigen wollte, die gerade den schmalen Korridor zwischen den wogenden Baumwipfel und den grau herüber jagenden Wolken erreicht hatte und den Eindruck hinterließ, als hätte jemand flüssiges Kupfer über dem Wald ausgegossen. Doch Magdalenas Blicke richteten sich ängstlich und fragend auf eine dünne Rauchsäule, die eine Handbreit neben der roten Sonnenscheibe aus dem Wald herausstieg.
    „Was ist das? Ein Herdfeuer?“ Es war zwecklos zu fragen. Magdalena würde nicht antworten, aber es half beim Nachdenken. Das Entsetzen in den Augen des Mädchens beschleunigte ihre Überlegungen. Wieder hatte Adelheid das Gefühl, als könne sie Magdalenas Gedanken lesen.
    „Du meinst, es kommt aus eurer Hütte?“ Adelheid schrie es fast, um den Wind zu übertönen. Mit einer ratlosen Geste schob sie sich die wehenden Haare aus dem Gesicht, als Magdalena verzweifelt nickte. Den Rauch aus Fortunatas Hütte hatte sie von hier aus noch nie gesehen. Sie kannte diese Aussicht seit sie groß genug war, um heimlich allein auf die Mauer zu klettern. Außerdem war der Rauch zu stark für ein kleines Herdfeuer. Andererseits stimmte die Richtung – etwa dort hatte sie Fortunatas Behausung heute Morgen entdeckt. Das alles konnte nur bedeuten … – ihr stockte der Atem. „Sie brennt! Eure Hütte brennt!“
    Magdalena nickte, zum ersten Mal sah Adelheid Tränen in diesen unergründlichen Augen. „Das kann nicht sein, du hast doch das Herdfeuer gelöscht, bevor wir
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