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Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut

Titel: Adam Dalgliesh 09: Wer sein Haus auf Sünden baut
Autoren: P. D. James
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nahe, in einem engen, finsteren Tunnel irgendwo weit weg von ihm, unerreichbar und abgeschnitten von aller Welt. James schalt sich selbst einen Phantasten mit Hang zum Morbiden, verscheuchte das grauenvolle Bild und sah abermals nach der Uhr. Er würde noch eine halbe Stunde warten und dann die Londoner Verkehrsbetriebe anrufen und sich erkundigen, ob die Strecke wieder frei beziehungsweise wie lange noch mit Verzögerungen zu rechnen sei. Er trat ans Fenster, stellte sich hinter die Gardine, blickte auf die erleuchtete Straße hinunter und wünschte sich, er könnte Frances herzaubern.

65
    Daniel war nun endlich auf der A 12, und der Verkehr ebbte langsam ab. Gleichwohl hielt er sich streng an die Geschwindigkeitsbegrenzung; es wäre katastrophal gewesen, sich jetzt von einer Polizeistreife erwischen zu lassen. Dauntsey würde genauso darauf bedacht sein, nicht aufzufallen und nicht angehalten zu werden, insoweit fuhren sie also beide unter gleichen Bedingungen, doch Daniel hatte den schnelleren Wagen. Er überlegte sich, wie er es anstellen könne, sich vor den Rover zu setzen, sobald er entsprechend aufgeholt hatte. Normalerweise würde Dauntsey seinen Golf bestimmt auf Anhieb erkennen und ihn, den Fahrer, natürlich genauso, aber zum Glück rechnete er wohl nicht damit, daß man ihn bereits verfolgte, und so würde er denn auch kaum auf andere Fahrzeuge achten. Das beste wäre wohl, dachte Daniel, ich warte ab, bis der Verkehr sich wieder etwas belebt. Dann konnte er die Chance nutzen, den Rover im Pulk mit anderen schnellen Wagen zu überholen.
    Und jetzt fiel ihm zum erstenmal Claudia Etienne ein. Er war entsetzt, daß er in seiner Sorge, Dauntsey noch zu erreichen, um ihn zu warnen, gar nicht bedacht hatte, in welcher Gefahr sie womöglich schwebte. Aber es war ja noch einmal gutgegangen. Als er sie zuletzt gesehen hatte, wollte sie gleich heimfahren, und jetzt war sie gewiß längst in Sicherheit. Dauntsey und der Rover waren noch ein ganzes Stück vor ihm. Riskant wäre es höchstens, überlegte er weiter, wenn sie auf die Idee gekommen ist, ihren Vater zu besuchen und sich womöglich ebenfalls auf dem Weg nach Othona House befindet. Ein Grund mehr für ihn, als erster dort anzukommen. Es hatte keinen Sinn, Dauntsey unterwegs zu stoppen. Der Alte würde ohnehin nur unter Zwang anhalten, und Daniel mußte mit ihm reden, ihn warnen. Das konnte aber nur in Ruhe geschehen und nicht, indem er seinen Wagen rammte und ihn gewaltsam stoppte. Die letzte Szene dieser Tragödie sollte wenigstens friedlich verlaufen.
    Und dann hatte er den Rover endlich genau im Blick. Sie näherten sich jetzt der Umgehungsstraße nach Chelmsford, und der Verkehr wurde wieder dichter. Daniel wartete den günstigsten Moment ab, dann fädelte er sich in die Überholspur ein und brauste vorbei.
    Esme Carling mußte ein paar sehr ungemütliche Tage verbracht haben, nachdem Gerard Etiennes Leiche gefunden worden war. Sicher hatte sie jeden Moment damit gerechnet, daß die Polizei auftauchen und sich nach ihrem Pamphlet am Schwarzen Brett und nach dem so ostentativ im Verlag deponierten Manuskript erkundigen würde. Aber dann waren Daniel und Robbins nur mit ihren harmlosen Fragen nach einem Alibi gekommen, und sie hatte ihnen eines geliefert. Die Nervenprobe hatte sie glänzend bestanden, das mußte man ihr lassen. Er, Daniel, hatte nicht eine Sekunde lang geahnt, womit sie in Wahrheit hinter dem Berg hielt. Und dann, nach dem Verhör? Was war ihr da durch den Kopf gegangen? Hatte Dauntsey sie zuerst angerufen, oder hatte sie sich mit ihm in Verbindung gesetzt? Höchstwahrscheinlich letzteres. Dauntsey hätte sie nicht zu töten brauchen, wenn sie ihm nicht erzählt hätte, daß sie ihn mit dem Staubsauger auf der Treppe gesehen hatte. Gewiß war das auch für ihn eine bange, spannungsgeladene Zeit gewesen. Aber auch er hatte die Nerven behalten. Esme Carling hatte Stillschweigen bewahrt, und Dauntsey wähnte sich wohl schon in Sicherheit.
    Und dann war vermutlich der Anruf gekommen, das Telefonat mit dem Vorschlag, sich doch einmal zu treffen, und mit der impliziten Drohung, daß sie zur Polizei gehen würde, falls Peverell ihr Buch nicht doch noch ins Programm nahm. Die Drohung war natürlich nur Bluff. Die Carling konnte nicht zur Polizei gehen, ohne einzugestehen, daß auch sie am fraglichen Abend in Innocent House gewesen war. Und ihr Motiv für den Mord an Etienne war nicht minder stark als das der anderen Verdächtigen. Aber sie war
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