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Achtzig Gedichte

Achtzig Gedichte

Titel: Achtzig Gedichte
Autoren: Georg Trankl
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verstorben aus kahlen Zimmern treten.
    O ihr Psalmen in feurigen Mitternachtsregen,
Da die Knechte mit Nesseln die sanften Augen schlugen,
Die kindlichen Früchte des Hollunders
Sich staunend neigen über ein leeres Grab.
    Leise rollen vergilbte Monde
Über die Fieberlinnen des Jünglings,
Eh dem Schweigen des Winters folgt.
    *
    Ein erhabenes Schicksal sinnt den Kidron hinab,
Wo die Zeder, ein weiches Geschöpf,
Sich unter den blauen Brauen des Vaters entfaltet,
Über die Weide nachts ein Schäfer seine Herde führt.
Oder es sind Schreie im Schlaf,
Wenn ein eherner Engel im Hain den Menschen antritt,
Das Fleisch des Heiligen auf glühendem Rost hinschmilzt.
    Um die Lehmhütten rankt purpurner Wein,
Tönende Bündel vergilbten Korns,
Das Summen der Bienen, der Flug des Kranichs.
Am Abend begegnen sich Auferstandene auf Felsenpfaden.
    In schwarzen Wassern spiegeln sich Aussätzige;
Oder sie öffnen die kotbefleckten Gewänder
Weinend dem balsamischen Wind, der vom rosigen Hügel weht.
    Schlanke Mägde tasten durch die Gassen der Nacht,
Ob sie den liebenden Hirten fänden.
Sonnabends tönt in den Hütten sanfter Gesang.
    Lasset das Lied auch des Knaben gedenken,
Seines Wahnsinns, und weißer Brauen und seines Hingangs,
Des Verwesten, der bläulich die Augen aufschlägt.
O wie traurig ist dieses Wiedersehn.
    *
    Die Stufen des Wahnsinns in schwarzen Zimmern,
Die Schatten der Alten unter der offenen Tür,
Da Helians Seele sich im rosigen Spiegel beschaut
Und Schnee und Aussatz von seiner Stirne sinken.
    An den Wänden sind die Sterne erloschen
Und die weißen Gestalten des Lichts.
    Dem Teppich entsteigt Gebein der Gräber,
Das Schweigen verfallener Kreuze am Hügel,
Des Weihrauchs Süße im purpurnen Nachtwind.
    O ihr zerbrochenen Augen in schwarzen Mündern,
Da der Enkel in sanfter Umnachtung
Einsam dem dunkleren Ende nachsinnt,
Der stille Gott die blauen Lider über ihn senkt.

SEBASTIAN IM TRAUM
    Â 
KINDHEIT
    Voll Früchten der Hollunder; ruhig wohnte die Kindheit
In blauer Höhle. Über vergangenen Pfad,
Wo nun bräunlich das wilde Gras saust,
Sinnt das stille Geäst; das Rauschen des Laubs
    Ein gleiches, wenn das blaue Wasser im Felsen tönt.
Sanft ist der Amsel Klage. Ein Hirt
Folgt sprachlos der Sonne, die vom herbstlichen Hügel rollt.
    Ein blauer Augenblick ist nur mehr Seele.
Am Waldsaum zeigt sich ein scheues Wild und friedlich
Ruhn im Grund die alten Glocken und finsteren Weiler.
    Frömmer kennst du den Sinn der dunklen Jahre,
Kühle und Herbst in einsamen Zimmern;
Und in heiliger Bläue läuten leuchtende Schritte fort.
    Leise klirrt ein offenes Fenster; zu Tränen
Rührt der Anblick des verfallenen Friedhofs am Hügel,
    Erinnerung an erzählte Legenden; doch manchmal erhellt sich die Seele,
    Wenn sie frohe Menschen denkt, dunkelgoldene Frühlingstage.
    Â 
UNTERWEGS
    Am Abend trugen sie den Fremden in die Totenkammer;
    Ein Duft von Teer; das leise Rauschen roter Platanen;
    Der dunkle Flug der Dohlen; am Platz zog eine Wache auf.
    Die Sonne ist in schwarze Linnen gesunken; immer wieder kehrt dieser vergangene Abend.
    Im Nebenzimmer spielt die Schwester eine Sonate von Schubert.
    Sehr leise sinkt ihr Lächeln in den verfallenen Brunnen,
    Der bläulich in der Dämmerung rauscht. O, wie alt ist unser Geschlecht.
    Jemand flüstert drunten im Garten; jemand hat diesen schwarzen Himmel verlassen.
    Auf der Kommode duften Äpfel. Großmutter zündet goldene Kerzen an.
    O, wie mild ist der Herbst. Leise klingen unsere Schritte im alten Park
    Unter hohen Bäumen. O, wie ernst ist das hyazinthene Antlitz der Dämmerung.
    Der blaue Quell zu deinen Füßen, geheimnisvoll die rote Stille deines Munds,
    Umdüstert vom Schlummer des Laubs, dem dunklen Gold verfallener Sonnenblumen.
    Deine Lider sind schwer von Mohn und träumen leise auf meiner Stirne.
    Sanfte Glocken durchzittern die Brust. Eine blaue Wolke
    Ist dein Antlitz auf mich gesunken in der Dämmerung.
    Ein Lied zur Guitarre, das in einer fremden Schenke erklingt,
    Die wilden Hollunderbüsche dort, ein lang vergangener Novembertag,
    Vertraute Schritte auf der dämmernden Stiege, der Anblick gebräunter Balken,
    Ein offenes Fenster, an dem ein süßes Hoffen zurückblieb –
    Unsäglich ist das alles, o Gott, daß man erschüttert ins Knie bricht.
    O, wie dunkel ist diese Nacht. Eine purpurne Flamme
    Erlosch an meinem
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