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Achilles Verse

Achilles Verse

Titel: Achilles Verse
Autoren: Achim Achilles
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anzetteln. Mona sieht immer so rassig aus, wenn sie sich aufregt. Leider hat sie kein Verständnis für die wichtigen Dinge im Leben, Spuren von Edding-Stiften zum Beispiel. Beim Triathlon bekommt ja jeder Teilnehmer seine Startnummer als Temporär-Tattoo auf den schwimmgestählten Oberarm gekritzelt. Zur Identifikation, falls man den Wettbewerb als Wasserleiche beendet. Mit einem grünen Zettel am Zeh wäre es ja auch schwierig, die Schuhe zu wechseln. Diese Edding-Nummer jedenfalls ist die größte Trophäe des Triathleten: der Nachweis echter Heldentaten.
    Würden bei Laufwettbewerben die Startnummern derart eingraviert, wäre die Beteiligung doppelt so hoch. Diese blöden Blechmedaillen, die es überall gibt, kann kein Mensch mehr auseinander halten. Außerdem sind sie in der Öffentlichkeit nicht zu tragen, ohne dass man für einen Karnevalsprinzen gehalten wird. Zu schwer sind sie auch. Ich hatte sie alle um meine Nachttischlampe gehängt. Neulich nachts sind sie runtergekracht, samt Lampe.
Mona hat die Medaillen am nächsten Tag in den Müll geworfen. Aber ich habe sie alle wieder rausgeangelt. Sie rochen kaum. Dann wurden sie im Keller versteckt, hinter Monas staubiger Staffelei.
    Edding-Startnummern sind kostbar. Orden des Ausdauersports. Sie müssen so lange wie möglich sichtbar gehalten werden. Beim Duschen halte ich den Oberarm immer ins Trockene. Ich habe auch schon versucht, die Nummer nachzuziehen. Aber das fällt auf. Und jetzt kommen die T-Shirt-Ärmel ins Spiel. Ich habe ein etwa 25 Jahre altes Leibchen mit Karl, dem Koyoten, darauf. Es liegt sehr körperbetont an, jugendlich eben, vor allem aber hat es extrem kurze Ärmel. Die Nummer ist zur Hälfte sichtbar, so, dass sie jeder sofort entdeckt, und trotzdem sieht es nicht wie angeberisches Zurschaustellen aus, was es natürlich ist.
    Wenn ich heute Abend schon mitgehen muss zu Monas Freundin Lydia und ihrer sterbenslangweiligen Grillfete, dann will ich wenigstens auf die Zahl am Arm angesprochen werden. Angeben ist Ausdauersportlern allemal wichtiger als Training. »In diesem albernen T-Shirt nehme ich dich nicht mit«, belfert Mona, während sie eine CD mit tibetischem Klangschalen-Schmus in Geschenkpapier zwängt. »Wieso, das ist total angesagt«, entgegne ich trendkompetent, »vintage und so.« Mona schnaubt. »Na gut, bleibe ich eben zu Hause«, maule ich, »oder geh trainieren. Friss dich doch alleine fett.« Meine Gattin nimmt mich in den Polizeigriff und schleppt mich zum Auto.
    Lydia und ihr Langeweiler-Freund Conny wohnen in Kleinmachnow in einer Reihenhaussiedlung, die auch in Coesfeld oder Eschborn stehen könnte. Vor jedem Haus parkt ein alberner Geländewagen, hinter jedem Haus qualmt ein Grill. Die Frauen hier besitzen alle Stepper und Schwitzgürtel aus dem TV-Shop und sparen für eine Rundum-Schönheits-OP.
    Conny hat eine Schürze um, auf der ein nackter Frauenleib abgebildet ist. Das ist seine Sorte Humor. Er arbeitet als »Finanzdienstleister«, vulgo Lebensversicherungsaufschwatzer. Conny spielt Golf, die Schläger hat er gut sichtbar in seiner schwarzen
Geländekarre drapiert. Er erzählt, was jeder Golfer erzählt: »So entspannend, totale Herausforderung.« Aber auf dem Grill reicht es nur für fettes Bauchfleisch von einem Schwein, das den Kaiser noch erlebt hat. Der Nachbar ist auch da, er heißt Maik, macht keinen Schritt ohne die Pulle Lübzer. Ossi. Fußballproll. Trägt Union-Trikot und Dreiviertelhosen mit Bändsel, Flip-Flops mit Blumen und einen MP3-Player um den Hals. Nichts ist peinlicher als Väter, die versuchen, flippiger als ihre Söhne auszusehen. Maiks adipöser Spross ist Ersatztorwart in der 5. C-Jugend von Kleinmachnow.
    Lydia lobt ihr »Low-carb-Buffet«, das vor allem aus matschigen Zucchini-Lappen und Paprikastreifen besteht. Die homöopathische Menge Fladenbrot, die die Hausherrin spendiert hatte, klebt längst in Connys Verdauungstrakt. »Kannste dich wenigstens mal waschen, wennste dich bei anderen Leuten durchfrisst?«, mault Conny auf seine plumpvertrauliche Art und zeigt auf meinen Arm. Danke, Conny, danke für diese Volley-Vorlage. »Was?«, frage ich, als wüsste ich gar nicht, was er meint. »Ach so, das ist nur die Startnummer vom Triathlon letztes Wochenende, die geht so schwer ab«, sage ich sehr beiläufig. Andächtiges Schweigen. »Dett ist doch Rad fahren, Laufen, Schwimmen«, erkundigt sich der dicke Maik. »Aber nur olympisch«, erkläre ich gnädig, »kein Ironman. Dafür fehlt mir
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