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Acacia 02 - Die fernen Lande

Acacia 02 - Die fernen Lande

Titel: Acacia 02 - Die fernen Lande
Autoren: David Anthony Durham
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gewesen; sein Maul eine große Höhle mit Fängen gespickter Wut, wenn er brüllte, seine Klauen fünf Krummsäbel, wenn er zuschlug.
    Mena hatte ihr Leben riskiert, um ihm den Todesstoß zu versetzen. Eigentlich hätte sie es nicht selbst tun müssen, aber manchmal konnte sie nicht widerstehen. Manchmal musste sie ihr Leben im Tausch für jenes anbieten, das genommen wurde, nur um zu sehen, ob ihre Rechnung schon fällig war. Irgendwo in ihrem Hinterkopf lauerte das Gefühl, dass die vielen Leben, die sie beendet hatte, irgendwann nach ihrem eigenen verlangen würden, um die Waagschalen ins Gleichgewicht zu bringen. Sie lief nicht davor davon. Tatsächlich gab es dann und wann Zeiten, in denen sie es begrüßen und hinnehmen wollte, ganz gleich, welche Rechnung die Geister ihr präsentierten. Bisher hatten sie noch keine präsentiert. Neun Jahre waren verstrichen, seit jene neue Brutalität begonnen hatte, die Corinn Frieden nannte. Mena hätte so viele Male umkommen können, und doch hatte sie sich in der ganzen Zeit kaum mehr als ein paar Kratzer, blaue Flecken und verstauchte Gelenke geholt. Vielleicht sparte der Schöpfer sie für etwas auf. Vielleicht – aber wenn dem so war, warum schwieg er so beharrlich, war nie da?
    Das Wesen, das sie jetzt jagten – das hatten sie aufgeschoben, so lange es ging. Es war der drittletzte der Riesen. Sie wusste nur noch von zwei anderen, allerdings wollte sie über die gerade jetzt nicht nachdenken. Schließlich hatte sie hier alle Hände voll zu tun. Zuzusehen, wie Übelding näher kam, erfüllte sie mit einer Angst, die allem, was sie bisher an Furcht gekannt hatte, in nichts nachstand. Es lag nicht nur an der rohen Kraft, die es ausstrahlte, es war die Verzerrung der natürlichen Ordnung, die Möglichkeiten, die diese Verzerrung andeutete, was für Ungetüme jetzt schon existierten oder noch entstehen mochten, um die Zukunft heimzusuchen. Und die Tatsache, dass es von denselben Zauberern auf die Welt losgelassen worden war, die ihrer Familie schon zweimal den Thron gerettet hatten. Deswegen glaubte sie, sie sei es der Welt schuldig, dafür zu sorgen, dass die Übeldinge ausgelöscht wurden.
    Was da, von talayischen Läufern mit Fackeln in ihre Falle getrieben, auf sie zustürmte, war eine Monstrosität, mit einem kreischenden Gefolge aus Hunderten von anderen Kreaturen. Die Wesen in dieser Horde waren selbst nicht verunstaltet. Die Talayen nannten sie Tentens – Primaten mit langer Schnauze und dem Gebiss eines Fleischfressers. Sie waren auf ihre eigene Weise wild und gefährlich, doch sie lebten schon lange in der Savanne. Meistens liefen sie auf allen vieren und waren normalerweise ebenso zufrieden damit, Erdbirnen zu fressen, wie kleinere Affen und Nagetiere zu jagen. Keine Gefahr für Menschen, solange man sie in Ruhe ließ.
    Die große Bestie, der sie folgten, rannte watschelnd auf zwei Beinen dahin, in einer Gangart, die schnell, menschenähnlich und dadurch umso grotesker war. Hin und wieder brachte sie sich wieder ins Gleichgewicht und machte ihrer Empörung Luft, indem sie mit den Fäusten auf die Erde einschlug. Sie war wollig behaart, mit einer mächtigen rotbraunen Mähne um Hals und Nacken, einer ockergelb und blau gefärbten Schnauze und den nach vorne gerichteten Augen eines Jägers. Vom Boden bis zum Scheitel war sie dreimal so groß wie ein Mensch. Darüber erhoben sich zwei kreisrund gebogene Hörner, die noch einmal mannshoch waren. Diese Hörner waren gezahnt und von vollendeter Form und damit der einzig wirklich schöne Teil der Kreatur. Sie waren schön, ja, aber nicht als Kopfschmuck des brüllenden Ungetüms, das jetzt bis auf ein paar Hundert Schritt herangekommen war. Wahrscheinlich war die Kreatur früher einmal ein Tenten gewesen; das würde erklären, warum die Horde ihr folgte. Manche Leute vermuteten, dass sie den verunstalteten Kadaver eines gehörnten Tiers gefressen hatte und ihr deshalb die Hörner gewachsen waren. Aber wie auch immer sie entstanden war – sie war nicht natürlich und durfte nicht am Leben bleiben.
    Melio und Kelis hatten die ihnen zugewiesenen Stellungen erreicht. Vorhin hatten sie Reisighaufen aufgeschichtet, deren Reihe einen trichterförmigen Geländestreifen begrenzte, über den das Übelding zu einer sorgfältig ausgewählten Stelle gelenkt werden sollte. Sobald die Kreatur an den ersten Vorposten vorbei war, entzündeten die Männer die Scheiterhaufen, die sofort hörbar in Flammen aufgingen. Dicke schwarze
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