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Abzocker

Abzocker

Titel: Abzocker
Autoren: Lawrence Block
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Bestellung aufnahm und kurz darauf mit einem großen, kühlen Wodka Collins zurückkam. Es gab einen farbigen Strohhalm dazu, und ich schlürfte den Drink wie ein Kind seine Limonade. Ich steckte mir eine Zigarette an und lehnte mich im Stuhl zurück. Im Kopf legte ich alle Fakten nebeneinander und versuchte, eine Lösung zu finden.
    Wenn ich irgendwelche Beziehungen zum Rauschgifthandel gehabt hätte, wäre es leichter. Vor einer Weile hatte ich ein paar Aufträge für einen Mann namens Marcus erledigt. Reine Botengänge: Holen Sie das ab, schaffen Sie es dorthin und geben Sie es dem und dem. Ich hatte Marcus seit Jahren nicht mehr gesehen und wusste nicht, wo er steckte. Wahrscheinlich erinnerte er sich gar nicht mehr an mich.
    Also war es unmöglich, das Zeug zu verkaufen.
    Meine andere Verbindung war L.K. B. Ich kannte ihn nicht, doch ich hatte so eine Ahnung, dass ich ihn mit Leichtigkeit ausfindig machen konnte. Er war am gleichen Tage wie ich angekommen und hatte wahrscheinlich bereits ein Zimmer in einem Hotel bezogen. Ich musste nur die Ankunftslisten der sechs besten Hotels der Stadt durchsehen. Irgendein Gast hatte sicherlich seine Initialen, und das war mein Mann. Ich konnte mit ihm Verbindung aufnehmen – aus der Ferne natürlich –, ihm einen Handel vorschlagen und ihm sein eigenes Zeug zurückverkaufen.
    Vielleicht klappte es. Vielleicht kostete es mich aber auch den Kopf. Im besten Fall fielen ein paar Tausender für mich ab, ein Bruchteil dessen, was das Zeug eigentlich wert war. Und den Rest meines Lebens konnte ich darauf warten, dass mir jemand ein Messer in den Rücken stieß.
    Das gefiel mir gar nicht.
    Ich nahm einen Schluck von meinem Drink. Ein Mann mit einem Mädchen am Arm schlenderte vorbei. Zwei alte Damen in Rollstühlen wurden von einem gelangweilten Angestellten vorbeigeschoben. Eine Gruppe der leichten Mädchen kam vorbei, sie starrten mich kurz an, entschieden, dass ich zu alt war, und zogen mit wippenden Hüften weiter.
    Ich beschloss, gar nichts zu unternehmen. Im Augenblick konnte mir nichts passieren. So, wie die Dinge standen, konnte es schlimmstenfalls dazu kommen, dass ich aus dem Hotel abhauen und die Kassette mit Heroin zurücklassen musste. Wenn alles klappte, würde ich mit der Kassette verschwinden und sie ein paar Jahre aufbewahren, bis die Sache in Vergessenheit geraten war. Bis dahin hatte ich sicher einen Weg gefunden, um den Inhalt zu verkaufen, in kleinen Rationen natürlich, um nicht aufzufallen.
    In der Zwischenzeit gab es Mona. Ich dachte über sie nach. Um Mitternacht würde sie am Strand auf mich warten. Bei dem Gedanken an sie vergaß ich fast das Heroin.
    Ich warf einen Dollar für den Drink auf den Tisch und noch etwas Kleingeld für den Kellner und ging. Zwei Straßen weiter entdeckte ich ein gutes Restaurant, wo man mir ein ausgezeichnetes, blutiges Steak und rabenschwarzen Kaffee servierte. Danach ging ich ins Kino.
    Der Film war lausig; ein historisches Epos mit dem Titel Trommeln hinter den Bergen. Hübsche Mädchen und blitzende Degen, alles in Technicolor-Cinemascope, Menschen, die sich auf spektakulär heroische Weise umlegen ließen. Den größten Teil des Films verschlief ich. Kurz nach zehn verließ ich das Kino und ging zurück zum Hotel.
    Hinter dem Hotel entdeckte ich den Tunnel, der zum Strand führte und lief unter der Promenade hindurch. Eine Landungsbrücke führte von der Uferpromenade bis ins Meer, und ich hielt mich in ihrem Schatten auf, damit mich niemand vom Hotel aus sehen und mich darauf hinweisen konnte, dass ich eigentlich gar nicht am Strand sein dürfte. Es war ohnehin eine dumme Vorschrift. Aber Atlantic City war so eine Stadt, nur dass hier diese Vorschriften mit der Stoppuhr in der Hand eingehalten wurden. Der Strand wurde abends geschlossen, die Swimmingpools in den Hotels machten ebenfalls dicht. Die Welt wurde nachts zusammengeklappt und verschwand. Wer unter Schlaflosigkeit litt, wurde verrückt in Atlantic City. Selbst die Fernsehshows waren um ein Uhr zu Ende.
    Der Strand war leer. Ich ging bis zum Wasser und sah den Wellen zu. Das Meer hat dieselbe hypnotische Kraft wie Flammen in einem Kamin. Ich weiß nicht, wie lange ich dort gestanden und den Wellen zugesehen hatte, ohne einen Muskel zu bewegen oder an etwas zu denken. Ich erinnere mich, dass der Wind kalt war, aber das machte mir nichts aus.
    Schließlich gab ich mein Spiel auf, entfernte mich ein paar Schritte vom Wasser, zog mein Jackett aus und machte mir
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