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Absolute Beginners

Absolute Beginners

Titel: Absolute Beginners
Autoren: Colin MacInnes
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immer zu beeindrucken scheint – nicht sehr, sondern nur ein bisschen –, wenn du aufgegriffen wirst und deine Taschen ausleeren musst, und außerdem stopfte ich meinen neuen Reisepass in meine Arschtasche, keine Ahnung warum, damit er mir Glück bringt, nehme ich an. Ich nahm meine Rolleiflex, legte sie aber wieder zurück, weil sie mir nicht mehr sehr nützlich vorkam. Dann zog ich meinen Koppelgürtel an und eine Jacke mit Reißverschluss, die wie ein Säbel ist, wenn du sie mit einem Arm schwingst, und ging die Treppe hinunter, wo ich, weil er ebenfalls auf dem Weg nach draußen war, auf Cool stieß.
    »Schnappste auch ein bisschen Nachtluft?«, sagte ich.
    »Ja. Ich schau mich mal um …«
    »Sei cool, Cool.«
    »Aber sicher, weißer Junge.«
    Ich hielt den Schleicher noch vor der Tür fest, griff ihn an beiden Armen, sah ihn an und sagte: »Ich hoffe, du wirst deswegen nicht bitter, Mann.«
    Er lächelte (bei Cool eher selten). »Oh, nein …«, sagte er. »Wir werden nicht bitter – wir müssen uns nur wehren. Und du«, fügte er hinzu. »Ich nehme an, es ist nicht angenehm, wenn man spürt, dass sein Stamm im Unrecht ist.«
    »Danke, Cool«, sagte ich. »Ich wette, du bist der einzige Neger in Napoli, der an uns denkt.«
    Ich gab ihm einen Klaps auf den Arm, und wir gingen beide hinaus in die Dunkelheit, und dieses Mal entschied ich mich, nicht mit meiner Vespa zu fahren. Auf dem Gehweg gaben wir einander die Hand, ohne dass wir darüber redeten, und gingen in unterschiedlicher Richtung davon.
    Es gibt keinen Zweifel, dass die Nacht das Böse begünstigt: ich meine, ich glaube nicht, dass die Nacht böse ist, und ich liebe sie, aber sie öffnet die Klappe und lässt die ganzen Monster frei. Ich ging runter zur Westbourne Park Station und machte eine Fahrt auf der malerischen Strecke zum Bush. Der Zug war vollgestopft mit Schaulustigen aus dem Westen, die an unterschiedlichen Haltestellen raushüpften, um die kostenlose Vorführung zu sehen. Aus der Höhe konnte man zwischen den Stationen das eine oder andere Feuer und Feuerwehrmänner sehen, und wenn der Zug im richtigen Winkel an einer Straßenlaterne vorbeischwankte, erhaschte man ab und zu einen kurzen Blick auf die Menschenansammlungen und die Autos des Gesetzes, herumpatroullierend oder geparkt und vollgestopft mit Cowboys, die darauf warteten, dass es losging, wie Kugeln in der Trommel. Und wenn der Zug stehen blieb, bei Ladbroke und an der Latimer Road, konnte man hören, wie die Lautsprecher irgendwas Barsches und Sinnloses in die Gegend plärrten, wie auf dem Jahrmarkt in den Battersea Pleasure Gardens. Und die ganze Fahrt über wechselten Flecken blauschwarzer Dunkelheit mit plötzlicher Helle und dem Auflodern blendenden Lichts.
    Am Bush aber war ich baff. Denn als ich hinüberging, auf die andere Seite des Parks, in jene Mittelklasse-Siedlung außerhalb unseres Viertels – war alles Friede und Stille und Ruhe und wie-es-vorher-war. Glaub mir! Innerhalb der zwei Quadratmeilen von Napoli waren Blut und Donner, aber schon ein Stück weit draußen – nur über eine Straße, als wäre es eine Staatsgrenze – war man wieder in der Welt von Mrs. Dale und
What’s My Line
51 und
Englands grünem und lieblichem Land.
52 Napoli war wie ein Gefängnis oder ein Konzentrationslager: innen Zeter und Mordio, draußen Busse und Abendzeitungen und ab nach Hause zu Würstchen und Kartoffelbrei und Tee.
    Am TV -Kino kaufte ich mir eine Abendausgabe. Sie spielten es hoch – große Schlagzeilen, keine Zeitung kann dem widerstehen –, versuchten aber auch, es herunterzuspielen. Reaktionen aus Afrika und der Karibik, hieß es, seien ungünstig gewesen, wenn auch stark übertrieben. Es habe ein wenig Schadenfreude in Südafrika und im Süden der USA gegeben, was in dieser schwierigen Situation zutiefst zu verurteilen sei. Als Hauptsache bliebe jedoch festzuhalten, dass es weder in Nottingham – noch bisher in Notting Hill – Verluste an Menschenleben gegeben habe. In der Zwischenzeit hatte ein Schleicher bei Scotland Yard eine Nachricht ausgegeben, die Schaulustige abschrecken sollte. Ich warf das Ding weg. Das Gesetz will nie, dass du mitkriegst, was es nicht auf die Reihe bekommt. Dann fuhr ich wieder zurück ins Quartier.
    Ich lief eine leere Straße hinunter, die wie viele dort von Lampen aus den Tagen von
Königin Boadicea
53 erleuchtet war, als ich drei farbige Schleicher daherkommen sah, die sich eng beinanderhielten. Ich blickte mich um, um zu sehen, ob
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