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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt
Autoren: Jochen Till
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lacht Seba. »Und glaub mir, leicht war es nicht, dich da hochzuhieven. Mann, warst du voll.«
    »Zeig mal die Bilder!«, sagt Adrian.
    »Stimmt, wir haben ja jede Menge schöner Bilder für die Ewigkeit!« Marlon fummelt an seiner Kamera herum.
    Wir scharen uns alle um ihn. Ich sehe mich völlig weggetreten auf dem Boden liegen. Dann auf dem Bett. Marlon malt den Penis. Jetzt die Nase. Im nächsten Bild stehen meine Haare plötzlich zu Berge.
    »Was habt ihr mir denn da reingemacht?«, will ich endlich wissen.
    »Eine halbe Dose Deo«, antwortet Diego stolz.
    »Na, vielen Dank auch.«
    Auf dem nächsten Bild steckt irgendetwas Großes, Blaues in meinem Mund.
    »Und was ist das bitte schön?«, frage ich.
    »Seife«, sagt Diego.
    »Gegen deine Fahne«, erklärt Seba.
    Alles klar, das erklärt den Beigeschmack von Ozeanfrische.
    »Ihr seid aber auch wirklich fies«, fiept Yvonne. »Armer Jonas.«
    »Wart’s ab«, sagt Marlon. »Es wird noch besser, versprochen.«
    Oh, nein! Er wird doch wohl nicht meine Eichel digital verewigt haben! Doch, hat er, hundertpro. Wieso sollte er ausgerechnet davor zurückschrecken, das wäre ja ein Wunder der Barmherzigkeit und somit nicht Marlon. Keine Frage, dieses Foto muss vernichtet werden, und zwar bevor die Mädels es zu sehen bekommen.
    Auf dem nächsten Bild bekommen meine Zähne gerade ihren Anstrich. Marlon klickt weiter, aber noch bevor das Bild auf dem Display erscheint, reiße ich ihm die Kamera aus der Hand.
    Ich springe auf und stelle mich hin, wobei ich mich wie Nele gestern unter der Zimmerdecke ganz schön bücken muss.
    »Die folgenden Bilder sind leider nicht jugendfrei«, sage ich. »Und da ihr alle noch nicht achtzehn seid, ist es meine Pflicht als einziger Erwachsener hier im Raum, sie zu vernichten.«
    Zum Glück kenne ich mich mit Marlons Kamera aus, das erste Bild ist schnell gelöscht. Marlon versucht natürlich zu mir hochzuklettern, aber ich kann ihn mit den Füßen zurückstoßen. Noch eins? Das zweite Bild. Löschen. Noch eins. Löschen. Verdammt, wie viele Fotos hat der denn gemacht? Marlon kriegt mein rechtes Bein zu fassen und zieht daran. Ich lasse mich aufs Bett fallen. Er greift nach der Kamera. Das nächste Bild erscheint auf dem Display. Keine Eichel mehr zu sehen. Perfekt. Ich lasse die Kamera los. Marlon klickt hektisch die Bilder durch.
    »Oh, fuck!«, flucht er. »Alle weg!«
    »So viel zu diesem Thema«, sage ich breit grinsend.
    »Sagt mal«, fiept Yvonne und zeigt auf die Wand neben meinem Bett. »Was ist eigentlich damit? Das gibt doch bestimmt Ärger.«
    Ach du Scheiße. Das habe ich ja noch gar nicht gesehen. An der Wand über meinem Bett strahlt eine riesige fette rote Edding-Achtzehn in den Raum. Darüber steht »Herzlichen Glückwunsch!!!« und links und rechts zeigen zwei Pfeile schräg nach unten, dorthin, wo mein Kopf vorhin noch gelegen hat. Und außerdem wäre da noch die Legenden-Strichliste mit einem sehr langen Strich bis ganz nach unten. Oh Mann, welcher Idiot war das denn? Das gibt allerdings Ärger, keine Frage.
    Marlon zuckt gleichgültig mit den Schultern. »Abwarten. Vielleicht haben wir ja Glück.«
    Haben wir aber nicht. Etwa eine Stunde später kracht es richtig. Wir sind gerade fertig mit Frühstücken, als Wuttke wutentbrannt den Saal betritt, den er eine Viertelstunde vorher verlassen hatte. Anscheinend ist er mit Signore Andreoli noch mal alle Zimmer durchgegangen, in unserem war er zumindest, sonst würde er uns nicht so zusammenscheißen. Was uns denn einfiele, reiner Vandalismus, geistige Unreife, Missachtung fremden Eigentums, Gastfreundschaft mit Füßen getreten und so weiter. Natürlich wollte er einen Namen, den Hauptverantwortlichen, den Edding-Besitzer, aber wir haben alle dichtgehalten. Mit gehangen, mit gefangen, das versteht sich von selbst. Als Belohnung für diese Loyalität dürfen wir jetzt alle gemeinsam die komplette Renovierung des Zimmers bezahlen, wenn wir wieder zu Hause sind, Signore Andreoli schickt die Rechnung.
    Die Rückfahrt ist ätzend lang, viel länger als die Hinfahrt, zumindest kommt es mir so vor. Und so richtig fit ist irgendwie auch keiner mehr. Okay, klar, es wird wieder gesoffen. Ja, ich auch. So viel zum Thema »nie wieder Alkohol!« Aber ich halte mich sehr zurück, bloß ein paar Bierchen, kein Hartsprit, das wäre dann doch zu viel für meinen angeschlagenen Magen.
    Nur Marlon lässt es noch mal richtig krachen und leert eine ganze Flasche Wodka allein. Großer Fehler.
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