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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt
Autoren: Jochen Till
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ich müssen sage, dann meine ich auch müssen. Gefragt wurden wir nämlich nicht. Unsere Eltern wurden gefragt. Und die haben dann auch entschieden. Schließlich würden sie das alles ja bezahlen, also wäre es nur gerecht, wenn sie das entscheiden. An uns hat dabei natürlich keiner gedacht. Ich war immer der Meinung, eine Abschlussfahrt sei dazu da, um noch mal richtig Spaß zu haben. Leider verstehen Eltern anscheinend keinen Spaß, wenn es um ihre fast volljährigen Kinder geht, meine schon gar nicht.
    Toskana. Kultur. Kirchen. Das wird in etwa so spaßig und aufregend wie eine Chihuahua-Beerdigung auf dem Hundefriedhof. Und je mehr ich darüber lese, desto tiefer sinkt meine Hoffnung, dass es doch noch ganz lustig werden könnte.
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    Wirtschaft: Hauptsächlich Tourismus und Landwirtschaft (vor allem Wein und Olivenöl ). Zu den bekanntesten toskanischen Weinen zählen der Chianti , der Sassicaia und der Vino Nobile di Montepulciano .
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    Na, immerhin. Zu saufen gibt es wenigstens schon mal was. Ich hoffe nur, die haben auch gescheites Bier da unten. Keine Lust, auf meinen Achtzehnten mit einem gepflegten Glas Chianti anzustoßen. Ich mag keinen Wein. Das nervt mich eigentlich noch am meisten. Dass ich meinen Achtzehnten nicht gebührend zu Hause feiern kann, mit Party und Freunden und allem Drum und Dran. Klar, mit den Jungs aus meiner Klasse wird es bestimmt auch ganz lustig, die meisten sind echt okay, trotzdem, zu Hause wäre mir doch lieber gewesen. Und selbst wenn dann nachgefeiert wird, das ist nicht das Gleiche. Achtzehn wird man nur einmal und nur an diesem einen Tag.
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    Ein weiterer wichtiger Wirtschaftsfaktor ist seit der Herrschaft der Etrusker die Stahlproduktion in der Gegend um Piombino. Die Rinderrasse Chianina , die größte Rinderrasse der Welt, hat ihren Ursprung ebenfalls in der Toskana.
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    Ja, super. Das wird ja immer besser. Wir verbringen fünf Tage in einem Gebiet, das für seine Rindviecher berühmt ist.
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    Im Vergleich mit dem BIP der EU ausgedrückt in Kaufkraftstandards erreicht die Region einen Index von 118.0 ( EU -25:100) (2003) .
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    Wie bitte, was? Das lassen wir mal lieber weg, am Ende muss ich es noch erklären.
    »Jonas?«
    Meine Mutter. Kann man denn in diesem Haus nicht mal in Ruhe ein blödes Referat schreiben? Nicht jetzt, Mama. Ich muss mich auf diesen stinklangweiligen Text konzentrieren.
    »Jonaaas!«
    Ja, ist ja gut, verdammt.
    »Was ist denn?«, brülle ich genervt zurück.
    »Herr Schneider ist da!«, ruft sie. »Komm, du hast Fahrstunde!«
    Wie, jetzt? Schon so spät? Ich schaue auf die Uhr an meinem Computer. Oh, tatsächlich, kurz vor fünf. Das ist ja perfekt. Ich habe sowieso keine Lust mehr auf dieses Scheißreferat, das kann bis morgen warten. Autofahren macht auch viel mehr Spaß.
    »Jonas! Kommst du?«, ruft meine Mutter.
    »Ja, ja! Gleich! Moment noch!«, rufe ich zurück und fahre den Computer runter.
    Noch so eine Sache, die mir diese blöde Toskana versaut. Genau in der Woche, in der wir weg sind, hätte ich den Termin für meine Führerscheinprüfung haben können. Okay, das wäre auch so gewesen, wenn wir nach Malle gefahren wären. Trotzdem: Die Toskana ist schuld. An allem. Basta.

1
    Fünfzehn Stunden Zugfahrt. Fünfmal umsteigen. Morgen früh um 8:20 Uhr sind wir dann in Lucca. Na vielen Dank auch.
    Wenigstens konnte ich meiner Mutter ausreden, mich bis zum Zug zu begleiten. Das hätte mir gerade noch gefehlt, eine Abschiedsarie, wie sie die meisten hier um mich herum über sich ergehen lassen müssen. Da werden Sechzehnjährige von ihren Müttern geherzt und gedrückt und mit Tränen in den Augen geknutscht, als würden sie in den Krieg ziehen. Hallo? Wir fahren nur für fünf Tage in die Toskana! Das Einzige, was uns dort passieren kann, ist, dass uns der blöde Schiefe Turm auf den Kopf fällt.
    »Hast du auch wirklich alles? Deinen Ausweis? Den Auslandskrankenschein? Hast du den eingesteckt?«
    »Ja, Mama.«
    Adrian. Die arme Sau. Seine Mutter zupft einen Fussel von seinem T-Shirt.
    »Wirklich? Bist du sicher?«
    »Ja, Mama.«
    »Zeig ihn mir. Wo ist er? Ich will ihn sehen.«
    »Der ist ganz unten im Rucksack, Mama. Da komm ich jetzt nicht dran.«
    »Aber so etwas Wichtiges packt man doch nicht nach unten! Das muss man doch immer griffbereit haben! Weiß Herr Wuttke eigentlich, dass du auf Nüsse allergisch bist? Hast du ihm das gesagt?«
    »Aber das hast du ihm doch schon tausendmal gesagt, Mama.«
    »Das weiß ich, dass ich ihm
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