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Abschlussfahrt

Abschlussfahrt

Titel: Abschlussfahrt
Autoren: Jochen Till
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werde.«
    Gelächter.
    »Wir haben lange überlegt, was wir dir zu diesem Ehrentag schenken könnten«, fährt Wuttke fort. »Es gab die unterschiedlichsten Vorschläge.«
    »Playboy-Abo!«, ruft Lars dazwischen.
    »Zwanzig Kästen Bier!«, schreit Seba.
    »Nutten und Koks!«, brüllt Marlon.
    »Von denen die meisten allerdings wenig sinnvoll waren«, sagt Wuttke trocken.
    Na super. Ich kriege also etwas Sinnvolles geschenkt. Gibt es etwas Langweiligeres als sinnvolle Geschenke? Das einzig Sinnvolle, das ich jetzt gebrauchen könnte, wäre eine Wunderpille, die einen schlagartig nüchtern macht. Ich muss mich echt zusammenreißen, um nicht zu stark zu schwanken und aus Versehen umzufallen.
    »Letztendlich haben wir uns für etwas entschieden, für das du auf deinem weiteren Weg in Richtung Abitur sicherlich Verwendung finden wirst«, sagt Wuttke und zieht etwas unter dem Tisch hervor.
    Er kommt auf mich zu, schüttelt mir die Hand und überreicht mir ein ziemlich großes, rechteckiges, in blaues Geschenkpapier gewickeltes und mit einer roten Schleife verziertes Ding. Ich nehme es lächelnd entgegen, besonders schwer ist es nicht, aber doch so groß, dass ich es nur mit beiden Händen festhalten kann.
    »Auspacken!«, ruft irgendjemand.
    »Ja, auspacken!«, ruft ein anderer.
    Okay, auspacken. Aber wie? Wenn ich das hier im Stehen freihändig versuche, geht mit Sicherheit irgendwas schief. Ich stelle mein Geschenk auf dem nächstbesten Tisch ab und fange an, vorsichtig das Papier zu entfernen. Als ich damit fertig bin, stehe ich vor einer großen Pappschachtel, ungefähr viermal so groß wie ein Schuhkarton. Ich öffne den Deckel. Eine Aktentasche. Eine schwarze Aktentasche. Was soll ich denn damit? Sieht aus wie Leder. Ich nehme sie heraus und betrachte sie näher.
    »Damit deine nächsten Schulbücher nicht so sehr leiden müssen«, sagt Wuttke und zwinkert mir dabei zu.
    Okay, jetzt kapiere ich es. Das ist eine Anspielung auf meine total zerschlissene und löchrige Army-Tasche, die ich für meine Schulsachen benutzte, und deren Riemen ständig reißt und somit werden meine Bücher des Öfteren mal einem Crash-Test unterzogen. Ja, eine neue Tasche kann ich wirklich gebrauchen, das ist durchaus sinnvoll, auch wenn sie mir auf den ersten Blick etwas zu spießig erscheint, aber eigentlich ist sie auch ganz cool.
    »Die ist toll! Vielen Dank an alle!«
    Jubel und Applaus.
    Wuttke zeigt auf unsere Pyramide. »Und jetzt dürft ihr euch auch gerne bedienen! Aber übertreibt es bitte nicht!«
    Marlon hat sich bereits mit seiner Kamera hinter der Pyramide postiert und wartet auf den Ansturm.
    Der Erste greift zu, die oberste Dose ist natürlich noch voll. Der Zweite und der Dritte haben auch noch Glück, der Vierte erwischt eine leere und macht ein sehr dummes Gesicht, unbezahlbar.
    Ich schätze mal, die Hälfte der Dosen sind leer. Immer mehr Leute greifen zu, wundern sich, dass die Dosen so leicht sind, und schauen sich irritiert um. Die Ziehung der Lotto-Schoppen, ein Bild für die Götter.
    Natürlich lässt es sich nicht vermeiden, dass Wuttke das Ganze mitkriegt, vor allem, weil Betzel nichts Besseres zu tun hat, als aufgeregt zu ihm zu rennen und ihm seine leere Dose unter die Nase zu halten. Das wirst du noch bereuen, Betzel. Wuttkes Miene verfinstert sich. Er packt Marlon am Kragen, zieht ihn in meine Richtung und uns beide ein Stück abseits.
    »Okay, ihr zwei«, knurrt er. »Das ist doch auf eurem Mist gewachsen. Ich werde jetzt nichts dazu sagen, um den anderen nicht die Party zu verderben. Aber ihr könnt ganz sicher sein, dass das noch ein Nachspiel haben wird, wenn wir wieder zu Hause sind. Ist das klar?«
    Marlon und ich machen beide ein betretenes Gesicht und nicken demütig.
    »Gut«, schnaubt Wuttke und lässt uns los. »Dann dürft ihr jetzt weiterfeiern.«
    Wir entfernen uns erst ein paar Schritte von ihm, bevor wir uns breit angrinsen. Ich denke, wir sind da genau einer Meinung. Was schert uns denn heute irgendeine Strafe, die weit weg und Tage entfernt auf uns wartet? Jetzt ist alles, was zählt. Jetzt wird gelebt. Jetzt wird gefeiert. Jetzt werden achtzehn Dosen Bier vernichtet. Scheiß auf morgen, wen juckt das denn?
    Nummer dreizehn geht allein und schmerzlos dabei drauf, dass jeder mit mir anstoßen will. Nummer vierzehn tut dann schon wieder ein bisschen weh, ich nehme möglichst kleine Schlucke, um den Brechreiz zurückzuhalten, der ab und zu in mir aufsteigt.
    Ein bisschen Bewegung kann nicht
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