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Abitreff (German Edition)

Abitreff (German Edition)

Titel: Abitreff (German Edition)
Autoren: Darius von Benin
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hat
mir nie verraten, mit wem er da, aber …“ Der Beamte schluckte. „… aber eines
Tages kam es durch einen dummen Zufall heraus: Ich erzählte Erhan vom
Wochenende bei meinen Eltern, meine Oma hatte sich die Schulter ausgekugelt.
Aber, was ich zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht wusste: Servet hatte mich
mal wieder als Ausrede gebraucht, um mit seinem Liebsten zusammen zu sein.
Angeblich wäre er bei mir gewesen, zum Üben für eine Klausur. Tja, dadurch flog
die Sache ist auf und zwei Tage später hat er sich dann umgebracht.“
     
    „Krass!“ Cem wirkte mitgenommen.
     
    Der Brillenträger zuckte. „Deshalb sage ich ja: Reden hilft! Wir sind
für dich da, wenn du es willst, aber dann du musst auch mit uns reden, denn
sonst? Sonst bringt das nicht viel!“
     
    „Du bist hier unter Freunden!“ Cihad legte seine Hand auf den Arm des
Türken.
     
    Der Banker wirkte immer noch unentschlossen. „Aber? Ihr kennt mich doch
gar nicht!“
     
    „Das ändern wir doch gerade!“ Der Berber grinste den Türken an. „Hast
du nicht deiner Mutter gesagt, du isst heute Abend bei Freunden aus dem Studio?
Was soll sie von unserer Gastfreundschaft halten, wenn du nach einer halben
Stunde schon wieder bei ihr auf der Matte stehst?“
     
    Man merkte, er war hin und her gerissen. „Ihr meint wirklich?“
     
    „Meinen wir! Betrachte mich einfach als gleichaltrigen Leidensgenossen
und Matze als weisen Mann aus dem Abendland, die Rolle ist ihm auf den Leib
geschrieben.“ Die Hand des Studenten hatte die des Türken erreicht, umschloss
sie, wollte ihn dadurch wohl beruhigen.
     
    „Na dann …“
     
    Die Lebensgeschichte des Gastes war schnell erzählt: Geboren im
städtischen Luisen-Krankenhaus, Kindergarten und Grundschule am Böckenberg,
dann Ebert-Realschule und schließlich Lehre bei der Volksbank. Er wurde als
Jahrgangsbester übernommen und macht jetzt auf der Abendschule sein Abitur
nach. Eine ältere Schwester, die in Berlin Pädagogik studiert, und ein jüngerer
Bruder, der den Obst- und Gemüseladen seines Vaters eines Tages übernehmen
soll. Die Mutter engagiert sich seit zwei Jahren im Pasta-Club, einer
Stadtteil-Initiative ähnlich der Arche, der Vater sitzt für die SPD in der
Bezirksvertretung, wird als Kandidat für den Rat gehandelt.
    Sein soziales Umfeld hingegen ist nicht ganz so harmonisch, viele
Freunde hat er nicht: Für sein türkisches Umfeld ist er zu deutsch, für seine
deutsche Umgebung ist er zu türkisch. Außerdem galt er schon immer als Streber
und mit denen will ja keiner, weder Deutscher noch Türke, etwas zu tun haben.
Als sein Vater mit der ganzen Familie die deutsche Staatsbürgerschaft annahm –
er wollte seinen Söhnen wohl den Dienst im türkischen Militär ersparen – kam es
zu einem Bruch: Der Bruder seiner Mutterverstieß
seine einzige Schwester und deren gesamte Familie für alle Zeiten.
    Dass Cem eher dem eigenen Geschlecht zugeneigt ist, entdeckte er so mit
16 oder 17, die Teile zwischen den Beinen seiner Handballfreunde waren einfach
interessanter und aufregender als die aufkeimenden Brüste seiner
Tanzpartnerinnen. Er war zwar unsicher, denn der konservative Lehrer in der
Koranschule hatte nur von der Sünde der mannmännlichen Liebe gesprochen und er
hatte diese Worte aufgesogen, ohne sie großartig zu hinterfragen. Er wollte –
typisch Streber – seinem Lehrer gefallen, auch wenn er nicht alles verstand,
was dieser sagte.
     
    „Ich sollte eigentlich eine Nichte meines Onkels heiraten, wir waren
einander versprochen, aber … das hat sich ja – Gott sei Dank – erledigt. Aber
die Fragen und Anspielungen meiner Mutter werden in letzter Zeit immer stärker,
mein Vater wollte mich sogar schon mal in den Puff schicken, damit ich
Erfahrungen sammeln kann. Wenn ich mich jetzt offenbaren würde, ich würde sie
nur enttäuschen und auch noch den Rest meiner Familie verlieren.“
     
    „Cem, ich glaube nicht, dass deine Eltern negativ reagieren würden,
denn sie scheinen im Hier und Jetzt angekommen zu sein, sonst würden sie deine
Schwester ja nicht alleine in einer fremden Stadt studieren lassen.“ Matthias
grinste. „Sie sind deinem Onkel um mindestens 200 Jahre voraus.“
     
    „Wie meinst du das denn jetzt?“
     
    Der Beamte stöhnte. „Ganz einfach: Dem Islam fehlt das Zeitalter der
Aufklärung, aber nicht nur an den Muslimen, an einigen christlichen
Vereinigungen in den USA ist sie diese Ära leider auch vorbeigegangen, aber
egal. Was ich eigentlich sagen
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