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Abitreff (German Edition)

Abitreff (German Edition)

Titel: Abitreff (German Edition)
Autoren: Darius von Benin
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folgen. Als er ihn
in der Umkleide eingeholt hatte, legte er seine Hand auf dessen Schulter. „Was
zum Teufel hast du da gerade gesagt? Du hast Gott um deinen eigenen Tod
gebeten?“
     
    „Habe ich!“ Cihad schluchzte. „Als meine Familie erfahren
hatte, dass ich schwul bin, bin ich durch die Hölle gegangen. Am Ende haben
mich meine lieben Cousins fast totgeprügelt und mich dann in einen
Straßengraben geworfen wie einen räudigen Köter. Matthias fand mich durch
Zufall, versorgte mich notdürftig und fuhr mich zum nächsten Arzt. Der aber
wollte mir – wohl aus Angst vor meinem Vater – nicht helfen. Mein Vater ist
nämlich ein sehr einflussreicher Mann in der Region, meiner – nein seiner –
Familie gehört eine der größten Arganölmanufakturen in ganz Marokko. Als auch
der zweite Doktor mir nicht helfen wollte, hat mich Matze wieder in seinen
Wagen verfrachtet und ist mit mir nach Agadir zu einer deutschen Ärztin
gefahren, die hat mich dann gerettet.“
     
    „Krass!“ Mittlerweile lagen beide Hände des Türken auf
Cihads Schultern.
     
    „Matze hat das Hospital bezahlt, ohne mich zu kennen und
ohne zu wissen, was eigentlich passiert war. Ich sollte mich noch schonen,
bräuchte noch Pflege, hat jedenfalls diese Ärztin gesagt, aber als junger
Marokkaner zusammen mit einem älteren Ausländer in einem marokkanischen Hotel?
Vergiss es!“ Tränen der Wut und Verzweiflung flossen seine Wangen herab.
„Matthias hat, als er mit mir aus dem Krankenhaus kam und das Hotel uns nicht
ins Zimmer lassen wollte, erst den Rezeptionschef zusammengefaltet und dann den
Hoteldirektor strammstehen lassen. Wir kamen schließlich dann doch auf unser
Zimmer, wurden aber höflichst aufgefordert, uns doch eine neue Bleibe zu
suchen, man wäre ja kein billiges Stundenhotel.“
     
    „Was … was habt ihr dann gemacht?“ Die beiden Köpfe
berührten sich fast.
     
    „Ich habe ja nur gelegen und die meiste Zeit geschlafen,
war vollgedröhnt mit Schmerzmitteln. Was Matthias genau gemacht hat, weiß ich
nicht, aber nach einer Woche saßen wir im Flieger und mein neues Leben hier
begann, weg von all der Feindseligkeit.“ Cihad ging wieder etwas auf Abstand.
„Erst als wir hier in Deutschland waren, sind wir dann so richtig …“
     
    „Was?“ Neugier lag in dem Wort.
     
    Der Araber deutete nach unten, die Unterhose des jungen
Türken war jetzt zwar fast wieder trocken, aber deutlich ausgebeulter als noch
unter der Dusche. „… zusammengekommen, sind miteinander ins Bett gegangen und
haben uns geliebt. Wie … wie soll ich es sagen? Ich liebe ihn nicht, weil er
mir das Leben gerettet hat, bin also nicht aus bloßer Dankbarkeit mit ihm
zusammen. Nein, ich liebe ihn, weil er mir gezeigt hat, dass man immer zu sich
stehen muss, weil ich ihm vertrauen kann, weil er mein Fels ist, mein sicherer
Hafen. Da spielt das Alter wirklich keine Rolle.“
     
    „Entschuldige, ich war blöd!“ Cem schluchzte fast. „Wenn
ich das nur vorher gewusst hätte!“
     
    „Was wäre dann gewesen? Hättest du mit deinen Leuten dann
etwa nicht über mich geredet? Über den Kameltreiber aus der Wüste, der
angeblich das Betthäschen eines alten Mannes ist?“ Der Berber ging zu seinem
Spind und begann, sein Straßenoutfit herauszuholen. „Und was machst du jetzt,
wo du es weißt?“
     
    Die Frage konnte der junge Türke auch nicht beantworten, er
verlagerte verlegen sein Gewicht von einem Bein auf das andere. „Nun, ich … äh
… verdammt … ich weiß auch nicht …“
     
    „Kann es sein, dass du vielleicht auch …“ Cihad blickte den
Türken intensiv an.
     
    Erschrocken fuhr dieser zusammen. „Das Ich was?“
     
    „Na, dass du auch eher auf Männer abfährst? Oder wie soll
ich das da verstehen?“ Cihad grinste und deutete auf den immer noch deutlich
gespannten Stoff, der das osmanische Krummschwert vor fremden Blicken schützen
sollte.
     
    Cem wirkte immer noch fahriger. „Und … und was … was wäre,
wenn es so wäre?“
     
    „Dann wäre es auch nicht schlimm, du bist ja nicht alleine:
Es gibt mehr als zwei schwule Muslime auf dieser Erde!“ Der Student holte eine
Visitenkarte aus seiner Jacke. „Hier, wenn du mal reden willst, so von schwulem
Türken zu schwulem Berber, sag einfach Bescheid. Aber nicht erschrecken, wenn
Matthias rangeht: Wir haben nur einen gaymeinsamen Anschluss.“
     
    „Könnten wir das … eventuell gleich machen? Oder hast du
schon andere Pläne?“ Der Türke schaute sich intensiv die
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