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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet
Autoren: Johannes Winterhagen
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Kohlekraftwerken oder Solarzellen, reserviert. In den USA, wo mit Steven Chu ein Physiknobelpreisträger als Energieminister agiert, wird ein Teil des Forschungsgeldes, immerhin 400 Millionen Dollar, bewusst in ein Programm investiert, das verrückte Ideen fördert. Das Programm »Advanced Research Projects Agency – Energy« besteht aus 117 Einzelprojekten, von denen sich ein großer Teil wahrscheinlich als Flops erweisen wird: Windräder, die wie Flugzeugturbinen aussehen, künstliche Blätter, die Wasserstoff mit Hilfe des Sonnenlichts herstellen, oder riesige Schwungräder, die Strom in Form mechanischer Energiedichte speichern. Sollten sich aber nur ein paar der Ideen bewähren, wäre das Geld sehr gut angelegt.
Würde uns eine einheitlich geführte, zentrale Lenkung der Energieforschung schneller und vor allem kostengünstiger ans Ziel bringen? Ich bin mittlerweile sehr davon überzeugt, dass gerade das wettbewerbliche Element zu Spitzenergebnissen in der Forschung führt. Denn Zukunft ist offen. Ob Elektrofahrzeuge ihre Energie eines Tages aus Brennstoffzellen oder Batterien beziehen, ist eben ungewiss. Oder werden es doch relativ konventionelle Motoren sein, die mit Biokraftstoffen der zweiten Generation fahren? Je mehr intelligente Menschen unterschiedliche Ansätze verfolgen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass eines Tages ein Volltreffer dabei ist. Es ist schlicht Hybris, Forschungsergebnisse zu einem bestimmten Termin erzwingen zu wollen. Und selbst wenn die Forschung auf einem bestimmten Gebiet den Durchbruch verkünden kann, ist der Weg zur industriellen Anwendung oft weit: Supraleitung, Kernfusion, Solarzellen mit 40 Prozent Wirkungsgrad – das funktioniert im Labor alles bereits. Es ist wichtig, dass die Forschung mehr Ansätze verfolgt, als sich am Ende realisieren lassen, denn nur so haben wir Optionen, zwischen denen wir wählen können. Das technisch Mögliche ist dabei immer nur ein Auswahlkriterium. Das Lieblingsbeispiel des Wissenschaftsjournalisten Ulrich Eberl ist das fliegende Auto: Funktioniert längst und gibt es dennoch nicht zu kaufen. Weil es zu viel Energie verbraucht, zu teuer und schwierig zu bedienen ist.
Vergessen wir den Konsens! Streiten wir über den Weg!
Endlich herrsche nationaler Konsens über die Energieversorgung Deutschlands, so war es nicht nur als Äußerung der Bundeskanzlerin, sondern vieler Politiker und Publizisten im Sommer 2011 zu lesen. Nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung stimmten am 30. Juni 2011 Christdemokraten und -soziale, Sozialdemokraten, Liberale und Grüne im deutschen Bundestag für den Atomausstieg. Nicht mehr ganz so groß war die Einigkeit schon bei den im gleichen Atemzug eingebrachten Gesetzen über die Änderungen bei der Förderung erneuerbarer Energien oder den Ausbau der Stromnetze. Obwohl es sich hierbei um ebenso wichtige Zukunftsfragen für die Republik handelt, meinen zumindest alle, die sich beruflich mit Energieversorgung beschäftigen. Aber ist das schlimm? Woher stammt die Sehnsucht nach Einigkeit, die so groß war, dass Gesetze mit solcher Windeseile zusammengeschustert wurden, als herrsche unmittelbare Gefahr für Leib und Leben? Wieso verzichtet eine Gesellschaft in einer für die eigene Fortentwicklung so existenziellen Frage auf eine breite und ausführliche Diskussion?
Ich finde, dass es sich lohnt, über die Weiterentwicklung unseres Energiesystems zu streiten. Zumal es um viel Geld geht: In unserem gesamten Energiesystem, also in Kraftwerken, Leitungen, Tankstellen und allem anderen, steckt etwa das Bruttosozialprodukt zweier Jahre. Ein Umbau kostet dementsprechend genauso viel Geld, mindestens. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (WGBU) schätzt den globalen Investitionsbedarf für den Umbau zu einer klimaverträglichen Gesellschaft auf bis zu 1000 Milliarden US-Dollar jährlich. Die hohe Verschuldung vieler Staaten führt dazu, dass dieses Geld nur vom Stromverbraucher aufgebracht werden kann, was angesichts des Verursacherprinzips auch ethisch geboten ist. Aber wie viel sind wir bereit zu zahlen? Der eine monatliche Milchkaffee weniger, den Umweltminister Norbert Röttgen bemühte, ist längst als Lüge enttarnt. 1000 Milliarden Dollar pro Jahr, das sind 1000 Dollar für jeden Menschen in den klassischen Industrieländern – also für jeden von uns.
Heikel an der Sache ist die damit verbundene Umverteilung. Denn die Hälfte der Bevölkerung, die nicht im
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