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Abgeschaltet

Abgeschaltet

Titel: Abgeschaltet
Autoren: Johannes Winterhagen
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aus existierenden Kohlekraftwerken zu
produzieren. Für die Energieversorger wird es unattraktiv, in effizientere, aber teurere Gaskraftwerke zu investieren.
Wind- und Sonnenstrom reichen auf absehbare Zeit nicht
Am Ende meiner Reise bin ich optimistischer denn je, dass in den erneuerbaren Energien, in Sonne und Wind, aber auch den übrigen technischen Pfaden gewaltiges Potenzial liegt. Wind- und Sonnenstrom müssen nicht nur viel effizienter werden, sie können es auch. Doch der Weg ist lang. Denn die Diskrepanz, die zwischen installierter Leistung und tatsächlicher Stromproduktion besteht, ist bei den beiden Hoffnungsträgern Sonne und Wind besonders groß. Hinzu kommt die starke wetterabhängige und leider auch saisonale Schwankung des erzeugten Stroms, die mit heutigen Speichertechnologien nicht überbrückbar ist. Es ist schön, wenn bei uns Solarstrom ab 2012 zu Netzparitätskosten erzeugt werden kann. Um allerdings international auch dort wettbewerbsfähig zu sein, wo es weniger oder keine Subventionen für regenerative Energien gibt, ist er noch viel zu teuer.
All dies spricht nicht gegen erneuerbare Energien, sondern für deren intensivierte Weiterverfolgung – allerdings mit einer realistischen Perspektive. Dem Bürger vorzugaukeln, bereits bei der Abschaltung des letzten Kernkraftwerks sei unsere Energie mehrheitlich »erneuerbar«, ist nicht redlich. Der Umstieg dauert schon bei uns, einem reichen Land, dessen Bevölkerung schrumpft, bis zur Mitte des 21. Jahrhunderts. Frühestens 2030 werden wir die Hälfte der Energie regenerativ erzeugen. In stark wachsenden Industrienationen wie China, Indien oder Brasilien lässt der Umstieg noch länger auf sich warten. Gar nicht zu reden von Afrika, dessen wirtschaftliche Entwicklung noch ganz am Anfang steht.
Ich halte es für wesentlich, dass wir unser Suchfeld nicht auf dezentral erzeugten Sonnen- und Windstrom verengen, sondern allen Technologien, die eine CO 2 -freie oder auch nur -ärmere Energieversorgung ermöglichen, eine Chance geben und Forschungsmittel einsetzen. Darüber, welche Technologie eine Gesellschaft tatsächlich einsetzt, sollte sie dann mit möglichst basisdemokratischen Mitteln entscheiden.
Es geht nicht ohne große, zentrale Kraftwerke
Es ist eine schöne Vision: Auf jedem Häuserdach Solarzellen und vor den Toren des Dorfes ein paar Windkraftanlagen, fertig ist die Energiezukunft. Der große Charme solcher Visionen liegt nicht nur in einer umweltverträglichen Energieerzeugung, sondern auch darin, dass eine Kommune über dezentrale Anlagen selbstständig entscheiden kann. Für ein hochentwickeltes Land reicht diese Form der Stromerzeugung aber trotz aller Effizienzmaßnahmen nicht, um Industrieprozesse und Rechenzentren sowie einen zunehmend elektrifizierten Verkehr sicher zu versorgen. Eine unterbrechungsfreie Grundlastversorgung ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für diese Wirtschaftszweige. Auch eine Verschaltung vieler kleiner dezentraler Einheiten zu virtuellen Kraftwerken kann diese Versorgung nicht leisten, wohl aber den Bedarf mindern. Hinzu kommt, dass ein immer größerer Anteil der Menschheit in Städten lebt, die die notwendigen Flächen für dezentrale Energieerzeugung nicht bieten. Bis 2050, so schätzen es die Vereinten Nationen, leben zwei von drei Menschen in der Stadt. Mehr als fünf Milliarden Menschen werden die Metropolen der Wachstumsmärkte und Entwicklungsländer bevölkern und auf Energieimporte angewiesen sein.
Dabei sind große zentrale Kraftwerkeinheiten nicht per se umweltschädigend, im Gegenteil: Der Wirkungsgrad großtechnischer Anlagen liegt fast immer deutlich über dem kleiner Einheiten. Ganz besonders trifft das zu, sobald entweder Wärme für die Stromgewinnung genutzt (Kohlekraftwerk, Solarthermie, …) oder als Endprodukt erzeugt wird. Übrigens nicht weil die Ingenieure das so wollen, sondern weil die Physik nicht zu überlisten ist: Der Wirkungsgrad thermischer Prozesse steigt mit Temperatur und Druck. Kleine Anlagen haben ein ungünstigeres Verhältnis von Oberfläche zu Volumen und verlieren daher mehr Energie an die Umgebung. Aus dem gleichen Grund ist der Eisbär so groß geraten. Außerdem ist ein einzelnes Kohlekraftwerk oder ein Staudamm natürlich ein massiver Eingriff in die vormals (hoffentlich) intakte Landschaft. Zum Ausgleich, so schreiben es die Naturschutzgesetze zumindest in Europa mittlerweile vor, können Ausgleichsflächen geschaffen werden, in denen die Natur
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