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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt
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schimpfte ein anderer. »Sie tauchen immer erst dann auf, wenn schon alles vorbei ist.«
    »Lasst mich durch! Zum Teufel noch mal, lasst mich durch!«, rief der Dicke, dem die Geldbörse gestohlen worden war. Mühsam bahnte er sich einen Weg durch die Menschenmenge, die im Handumdrehen die schmale Gasse verstopft hatte.
    Abby sah sich umringt von vielen Gesichtern, die von reiner Neugier über Schadenfreude bis hin zum Hass alles zeigten – nur kein Mitgefühl. Die Angst legte sich wie eine eiskalte Klaue um ihre Kehle und drückte ihr die Luft ab. Sie wollte vor diesen Augenpaaren, die das Urteil über sie schon gesprochen hatten, zurückweichen. Doch die beiden Kerle, die sie hochgezerrt hatten, hielten sie fest. Die schwieligen Männerhände umschlossen ihre Arme und umklammerten schmerzhaft ihre Schultern. Einer von ihnen stank entsetzlich nach Fisch.
    Der schwergewichtige Mann im weinroten Gehrock hatte sich indessen durch die Menschenmenge zu ihr vorgedrängt.
    »Meine Geldbörse!«, war das Erste, was ihm über die Lippen kam. »Wo ist meine Geldbörse?«
    Der sehnige, nach Fisch stinkende Mann hielt ihm den prallen, goldbestickten Beutel hin. »Hier, mein Herr«, sagte er eifrig und mit unterwürfigem Tonfall. »Und wenn Sie gütigst an die versprochenen drei Shilling denken würden …«
    Mit einem Seufzer großer Erleichterung nahm der Dicke seine Geldbörse entgegen. »Du sollst die drei Shilling haben.«
    Sein Blick richtete sich nun auf Abby. Zorn und Abscheu traten auf sein Gesicht. Wie ein Hahn, der nach etwas Lebendigem pickt, stieß er seinen runden, fleischigen Schädel vor, spuckte sie an und zog den Kopf schnell wieder zurück. »Hurenbrut! … Elendes Miststück!«, beschimpfte er sie. »Das hast du dir mit deinem Komplizen ja klug ausgedacht! Aber jetzt wird euch das Handwerk gelegt. Wie heißt es doch: ›Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis der Henkel bricht.‹ Und dir wird der Strick den Hals brechen!«
    »Ich … bin nicht seine Komplizin … und ich habe nichts damit zu tun«, brachte Abby nun mühsam hervor.
    Die Umstehenden quittierten ihre Worte mit höhnischem Gelächter.
    »Was geht hier vor?«, fragte eine scharfe, Respekt heischende Stimme. Es war der Konstabler. Die Leute traten unwillkürlich zurück und bildeten eine Gasse.
    Der Konstabler, ein kräftig gebauter Mann mit buschigen Augenbrauen und irgendwie groben Gesichtszügen, ging forschen Schrittes durch die Gasse. Er hatte die aufrechte Haltung eines uniformierten Mannes, der sich seiner Stellung und Macht bewusst war.
    Mit leicht gespreizten Beinen, die hohe Stirn gefurcht, stellte er sich neben den Bestohlenen. Die stechenden Augen auf Abby gerichtet, fragte er knapp: »Also, was ist mit ihr?«
    »Galsworthy ist mein Name, Konstabler, Samuel Galsworthy aus Bristol. Ex- und Import von Weinen. Ich halte mich geschäftlich in London auf«, stellte sich der dickliche Kaufmann aufgeregt vor und begann umständlich den Hergang des Diebstahls zu berichten.
    »Aber das stimmt nicht!«, fiel Abby ihm in die Rede, als er sie erneut als Komplizin des Taschendiebes bezichtigte. »Ich bin unschuldig, Konstabler!«
    »Und ich bin die Jungfrau von Kastilien!«, grölte eine Stimme in ihrem Rücken, gefolgt von bösartigem Gelächter.
    »Meine Mutter liegt krank zu Bett … Ich wollte Brot kaufen … nur einen Laib Brot … und dann zum Pfandleiher … und ich habe mich dort am Torbogen nur einen Moment ausgeruht, als es geschah«, beteuerte Abby und verhaspelte sich. Panik wallte in ihr auf.
    »Sicher wolltest du Brot kaufen – von meinem Geld!«, fuhr Samuel Galsworthy sie an.
    »Vergessen Sie nicht, mir die zugesagten drei Shilling Belohnung auszuzahlen, mein Herr«, erinnerte ihn der Fischverkäufer, besorgt darüber, er könnte in der allgemeinen Aufregung um die ihm zustehende Belohnung geprellt werden.
    »Ja, ja, alles zu seiner Zeit«, erwiderte der Kaufmann, ohne ihn dabei anzusehen.
    »Nein! … So ist es nicht gewesen! Ich kenne den Dieb überhaupt nicht! Habe nie mit ihm gesprochen. Es war Zufall, dass er mir die Geldbörse in den Korb geworfen hat. Er wollte sie los sein und ich stand nun mal da«, sprudelte sie überhastet hervor und hatte das entsetzliche Gefühl, sich im nächsten Augenblick übergeben zu müssen. »Konstabler, Sie müssen mir glauben! Ich …«
    Der Polizist brachte sie mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen. »Warum bist du dann mit dem Diebesgut weggerannt, statt stehen zu bleiben und
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