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Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt

Titel: Abby Lyne 01 - Verbannt ans Ende der Welt
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aufmacht, kommt ihr ein Schwall Lügen über die Lippen! Ist doch immer das gleiche mit diesem Verbrechergesindel. Man kann diese Brut auf frischer Tat ertappen, und sie versuchen dennoch sich wie eine Natter aus der drohenden Schlinge zu winden!«, rief eine Frau mit aufgebrachter, sich überschlagender Stimme aus der Menge und erhielt lärmende Zustimmung. »Gleich wird sie noch behaupten, eine gottesfürchtige Klosterschülerin zu sein!«
    »Warum macht man mit diesem Abschaum der Straße nicht kurzen Prozess? Man sollte ihr erst die Diebeshand abhacken und sie dann gleich aufhängen!«, forderte ein schmächtiger, abgehärmter Mann mit einer speckigen Lederschürze vor dem Bauch. Er stand in der vordersten Reihe und funkelte Abby so hasserfüllt an, als wäre nicht der dicke Kaufmann, sondern er bestohlen worden. Er machte den Eindruck, als wollte er seine blutrünstige Forderung am liebsten gleich selber in die Tat umsetzen. »Dann sind wir sie ein für alle Mal los. Es wächst ja auch so noch genug Verbrecherpack nach!«
    »Ja, knüpft sie auf!«, schallte es aus der Menge wider. »An den Galgen mit dem Hurenmädchen!«
    »Schluss damit!«, erhob der Konstabler seine befehlsgewohnte Stimme und das tumultartige Geschrei erstarb. »Wenn ihr jemand den Strick um den Hals legt, dann wird es der Henker sein. Das Gericht wird schon eine gerechte Strafe aussprechen.«
    Ungläubig starrte Abby ihn an, von lähmendem Entsetzen gepackt. Dann löste sich der Bann des Schreckens. Heftig schüttelte sie den Kopf, dass ihre schulterlangen, sanft gewellten Haare flogen, und versuchte sich loszureißen. Doch gegen die rohe Kraft der beiden Männer vermochte sie nicht das Geringste auszurichten. Im Gegenteil. Sie packten nur noch schmerzhafter zu.
    »Ich bin unschuldig!«, brach es in einem Schrei ohnmächtiger Verzweiflung aus ihr heraus. »Ich habe nichts mit dem Dieb zu schaffen! … Mein Gott, warum glaubt mir denn niemand!? … Ich war es nicht! … Ich bin unschuldig!«
    Eine schallende Ohrfeige riss ihren Kopf zur Seite. Ihre Wange brannte wie mit heißem Öl übergossen. »Schweig!«, fuhr der Konstabler sie an. »Du bist verhaftet! Was du zu deiner Verteidigung anzuführen hast, kannst du vor Gericht sagen! Im Gefängnis wirst du Zeit genug haben, dir deine Worte gut zu überlegen!«
     

Viertes Kapitel
     
    Der eisige Nachtwind heulte durch die Gitterstäbe des schmalen Fensters, das hoch oben in der dickwandigen Mauer des Kerkers eingelassen war. Ein fahler Streifen milchigen Mondlichtes drang durch den Fensterschacht. Er fiel auf die gegenüberliegende Steinwand und hob eine vom Schimmelpilz überwucherte Fläche aus der Dunkelheit. Weiter hinunter in den Kerker reichte der schwache Lichtschimmer jedoch nicht. Das Elend der über zwanzig Inhaftierten, die sich diese kleine Zelle mit Schwärmen von Läusen, Kakerlaken und gelegentlich auch mit Ratten teilen mussten, blieb in Finsternis getaucht. Noch nicht einmal tagsüber wurde es am Boden der Zelle richtig hell. Dämmerlicht herrschte vor.
    Abby sehnte den Schlaf herbei, der ihr wenigstens für ein paar Stunden Vergessen bringen würde. Doch sie fror so sehr, dass sie nicht in den barmherzigen Schlaf zu sinken vermochte.
    Sie zitterte wie Espenlaub. Wie zu einem Ball zusammengerollt, lag sie zwischen den anderen Gefangenen. Nur eine dünne Lage fauligen Strohes bedeckte den kalten Steinboden.
    Sie war nicht die Einzige, die keinen Schlaf finden konnte.
    Die Dunkelheit war erfüllt von einem auch tagsüber nie enden wollenden Strom schreckensvoller Geräusche. In den Husten und schweren Atem der Kranken mischte sich das Weinen der Verzweifelten, das Wimmern und Stöhnen der von Schmerzen oder Alpträumen Geplagten und die gottlosen Flüche und Verwünschungen der Abgebrühten. Es war ein entsetzlicher Chor, der auch nachts aus allen Zellen in die Gänge drang und niemals verstummte.
    Es war die dritte Nacht, die sie in dieser Gefängniszelle verbrachte. Erst drei Tage waren seit dem verhängnisvollen Morgen in Haymarket vergangen. Doch ihr schien es, als läge mittlerweile ein ganzes Leben dazwischen.
    Nach dem Verhör hatte man sie in das Gefängnis von Newgate gebracht und in eines der überfüllten, stinkenden Löcher geworfen, die sich Kerker nannten. Es war ein Abstieg in Regionen menschlichen Elends, gnadenlosester Erniedrigung und tiefster hoffnungsloser Verzweiflung, wie sie Abby nie für möglich gehalten hätte. Selbst für das übelste Volk, das die
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