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Abbau Ost

Titel: Abbau Ost
Autoren: Olaf Baale
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britische Regierungschefin,
     »zerstört das wirtschaftliche Gleichgewicht der Europäischen Gemeinschaft, in der Westdeutschland schon heute dominiert.«
    Den Ausgang der Volkskammerwahlen am 18. März 1990 erlebte Joachim Mitdank in London. Die Große Koalition zwischen dem konservativen,
     von der CDU angeführten Wahlbündnis und der SPD begann unter Lothar de Maizière sofort mit den Beitrittsvorbereitungen. Neuer
     Außenminister wurde der Pfarrer Markus Meckel, einer der Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei in der DDR. Am 17. April
     1990 zog Meckel in das Außenministerium am Ostberliner Marx-Engels-Platz ein, an seiner Seite Pfarrer Hans Misselwitz, dem
     der Posten des Parlamentarischen Staatssekretärs versprochen worden war. Zu seinem Amtsantritt äußerte Meckel, dass die Außenpolitik
     der neuen DDR unter seiner Leitung eigenständige Züge annehmen werde. Seine Amtszeit sollte gerade noch vier Monate dauern.
    Für den DDR-Botschafter in London und Dublin ergab sich noch eine letzte Aufgabe. Markus Meckel wollte nach Irland reisen
     und hatte Joachim Mitdank mit den Vorbereitungen beauftragt. Zu diesem Zeitpunkt nahm Irland die Präsidentschaft in der Europäischen
     Gemeinschaft (EG) wahr. Den Regierungsvertretern in Dublin waren die eigenen Beitrittsverhandlungen zur EG noch sehr gegenwärtig,
     und so bestand eine gewisse Erwartungshaltung, wie sich die DDR ihren Anschluss an die europäische Staatengemeinschaft vorstellte.
     Außenminister Meckel überraschte seine Gesprächspartner mit der Offenbarung, dass die DDR einen Beitritt nach Artikel 23 des
     Grundgesetzes anstrebe. Ostdeutschland werde folglich ohne eigenen Antrag, als Teil der Bundesrepublik |285| in die europäische Staatengemeinschaft aufgenommen. Der irische Außenminister Gerard Collins machte keinen Hehl aus seiner
     Überraschung. »Warum«, sagte er zu Meckel, »wollen Sie denn alles so schnell machen?«
    »Wir stehen unter dem Druck des Volkes«, antwortete Meckel.
    »Junger Freund«, erwiderte Collins, »entschuldigen Sie, wenn ich Sie so anrede. Aber ich bin etwas älter als Sie. Hören Sie
     auf meinen Rat und unterscheiden Sie zwischen den verschiedenen Arten von Druck: Es gibt den Druck, den man selbst erzeugt
     – den man folglich fördern muss, und den Druck, der von anderen gegen uns ausgeübt wird. Dem muss man begegnen. Wissen Sie,
     mit Druck hatte ich mein ganzes Leben lang zu tun und kann Ihnen nur empfehlen: Nehmen Sie sich Zeit! Wenn Sie jetzt so von
     heute auf morgen in die Europäische Gemeinschaft gehen, ohne dass Sie sich besondere Erleichterungen ausbedingen – so wie
     wir das jahrelang betrieben haben und damit viele Sonderregelungen zu unserem Nutzen erreichen konnten – dann halten Sie das
     nicht lange durch.«
    Außenminister Meckel entgegnete, dass nach der Währungsunion am 1. Juli alles anders werde. Dann habe die DDR mehr Zeit. Darauf
     konnte Gerard Collins nur noch wenig erwidern. Während des Essens wurde Joachim Mitdank von seinem Tischnachbarn, einem der
     Abteilungsleiter im irischen Außenministerium, auf die Unterredung angesprochen. »Sagen Sie, Herr Botschafter, hat Ihr Außenminister
     unseren Minister nicht richtig verstanden?«
    Nur wenige Tage später kam das Abberufungsschreiben aus Ostberlin. Joachim Mitdank kehrte nach Berlin zurück und meldete sich
     beim Außenminister. »Die Tür zum Sekretariat hatte ich kaum geöffnet, als der neue Hausherr in Hausschuhen und offenem Hemd
     auf mich zugerannt kam, ›geht gleich los‹ rief und verschwand. Dieses unterhaltsame Spiel wiederholte sich einige Male.«
    Nach dem Gespräch mit dem Außenminister lernte Joachim Mitdank auch dessen Bruder, Hans-Martin Meckel, kennen, der als Personalchef
     fungierte und ihm anbot, eine Tätigkeit im Zentralen |286| Bereitschaftsdienst des Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) zu übernehmen oder zum Arbeitsamt zu gehen. »Ich
     entschied mich für den Bereitschaftsdienst. Das war der ruhigste Job, den ich jemals ausgeübt habe. Hier lernte ich einige
     von Meckels Beratern kennen, die vor und nach der Volkskammerwahl am 18. März 1990 aus Westberlin und der Bundesrepublik in
     die DDR eingeflogen worden waren. Nachdem Meckel seine Aufgabe erfüllt hatte, die Entlassung der Mitarbeiter des MfAA, verabschiedete
     er sich von der diplomatischen Bühne und wurde Abgeordneter des Bundestages.«

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