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65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell
Autoren: Karl May
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aus zehn Wiesen ein Grashalm.“
    „Oho! Ein entfernter? Na, ich will mich nicht über dich ärgern.“
    „Ist auch nicht nötig. Aber du willst von Eliassens reden und fängst von dem Ebert an!“
    „Das ist ganz richtig. Dem Ebert seine Frau hatte doch einen Stiefbruder, wenn du dich noch besinnen kannst?“
    „Es ist mir so.“
    „Der Stiefbruder heiratete eine geborene Barthel; sie hatte ein schiefes Bein. Ich weiß nicht mehr, war es das rechte oder das linke. Weißt du es vielleicht?“
    „Es werden wohl alle beide schief gewesen sein.“
    „So genau weiß ich das nicht mehr. Aber dieser Barthel ihr Bruder hatte zur zweiten Frau eine gewisse Eliassen, deren Bruder also Elias hieß. Er war Schneider und zugleich gab er im Winter Tanzunterricht.“
    „Ich habe ihn nie gekannt.“
    „Aber erklärt habe ich es dir. Dieser Eliasschneider hatte einen Jungen, der hieß Arthur. Er war ein kleiner Kerl, aber nicht dumm. Er konnte gut zeichnen und half seinem Vater beim Tanzunterricht. Später ist er nach der Hauptstadt gekommen und Tanzmeister geworden.“
    „Und den meinst du?“
    „Ja.“
    „Daß wir ihn aufsuchen wollen?“
    „Denkst du etwa, daß wir ihm nicht willkommen wären?“
    „Warum denn nicht? Wir haben ihm ja nichts getan.“
    „Ja, und nobel kommen wir auch. Wir sehen nicht etwa abgerissen und fadenscheinig aus, und ich will es dir nur sagen: Ich habe nämlich nicht nur zehn Gulden eingesteckt, sondern gleich alle vierzehn. Wir brauchen sie zwar nicht zu vertun, aber es klimpert doch gleich ganz anders, wenn man mehr im Beutel hat. Na, wir werden schon sehen, wohin wir geraten.“
    Jetzt schwieg das Gespräch. Die beiden blickten durch die Fenster, um sich an der Gegend zu erlaben. Später erhielten sie Gesellschaft, und die Alte war förmlich stolz, als sie bemerkte, wie sie betrachtet wurde. Sie stieß ihren Mann mit dem Fuß; sagen aber wollte sie nichts; ihre Worte könnten ja verstanden werden.
    Aber als sie endlich angekommen und ausgestiegen waren, fragte sie ihn:
    „Hast du diese Augen gesehen?“
    „Was denn für Augen?“
    „Welche die Leute alle machten.“
    „Na, und ob!“
    „Wir sind eben noch ein Paar, das sich sehen lassen kann. Und freundlich waren sie ja alle. Sie lächelten einen förmlich an!“
    „Wo aber nun hin?“
    „Na, ich werde gleich fragen. Da steht einer mit einem goldenen Streifen um die Mütze. Der ist gewiß etwas Vornehmes. Solche Leute wissen gewöhnlich alles.“
    Der, welchen sie meinten, war der Vorsteher des Bahnhofs. Als er die beiden eigentümlichen Gestalten bemerkte, zuckte es verräterisch über sein ernstes Gesicht. Sie steuerte gerade auf ihn zu, nickte ihn freundlich an und sagte:
    „Guten Tag! Sind Sie hier vielleicht bekannt?“
    „So leidlich, meine Liebe.“
    „Wissen Sie, wo Landrocks wohnen?“
    „Landrock? Was ist der Mann?“
    „Amtswachtmeister.“
    „Nein, den kenne ich leider nicht.“
    „Er ist aus dem Gebirge!“
    „Ah, da werden Sie sich wohl irren, meine Liebe!“
    „Oh, nein!“
    „Und doch! Ich kenne einen Amtswachtmeister Uhlig; der ist aus dem Gebirge, nämlich aus Tannenstein.“
    „Den meine ich nicht.“
    „So tut es mir leid, meine Liebe.“
    „Schadet nichts; ich frage weiter.“
    „Hm! Die Stadt ist groß. Hier kennt nicht jeder den andern. Sie werden am klügsten tun, wenn Sie das Adreßbuch fragen, meine Liebe.“
    Sie sah ihn erstaunt an und meinte:
    „Das Adreßbuch fragen? Wie fragt man es denn?“
    „Man sieht hinein.“
    „Ach so! Was ist das denn für ein Buch?“
    „Es ist ein Buch, in welchem die Namen aller stehen, welche hier in der Residenz wohnen. Dabei ist zu lesen, was sie sind und wo sie wohnen.“
    „Ach so! Wer das erfunden hat, der ist kein dummer Kerl gewesen. Wo ist das Buch?“
    „Da drinnen in der Restauration. Sie brauchen nur den Kellner darum zu bitten.“
    „Danke schön, lieber Herr!“
    Sie nahm ihren Alten beim Arm und zog ihn mit sich fort.
    „Hast du es gehört?“ fragte sie stolz.
    „Vom Adreßbuch?“
    „Nein. Die Höflichkeit.“
    „Welche Höflichkeit?“
    „Mann, du dauerst mich! Er hat mich viermal ‚meine Liebe‘ genannt. Man merkt es doch gleich, daß man in der Hauptstadt ist, wo der König wohnt. Komm jetzt herein!“
    Sie zog ihn in die Restauration. Daß sie dabei in das Wartezimmer erster Klasse geriet, das war ihr gleichgültig. Diese Unterscheidung war ihr unbekannt.
    Sie bemerkte mit süßer Genugtuung, daß sich aller Augen auf sie und
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