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43 Gruende, warum es AUS ist

Titel: 43 Gruende, warum es AUS ist
Autoren: Daniel Handler , Maira Kalman
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jetzt deswegen leer, weil die Streichhölzer aufgebraucht sind.
    Ich rauche nicht, auch wenn es in Filmen immer so toll aussieht. Aber ich zünde Streichhölzer an, in den Nächten, wenn mein Gehirn total leer ist und ich aufs Garagendach hinausklettere, unter den großen Himmel, während meine Mutter arglos schläft und nur ganz vereinzelt einsame Autos über weit entfernte Straßen rollen, wenn mein Kissen einfach nie kühl bleibt und die Decke mich stört, ganz egal, ob und wie ich mich bewege oder ob ich still liege. Ich sitze dann nur da, mit baumelnden Beinen, zünde Streichhölzer an und sehe zu, wie sie langsam abbrennen und verlöschen.
    Die Schachtel reichte gerade für drei Nächte (nicht hintereinander!), dann waren alle Streichhölzer aufgebraucht, und die Schachtel enthielt nur noch das Nichts, das du jetzt siehst. Die erste Nacht war die nach dem Tag, an dem du mir die Schachtel geschenkt hast. Als meine Mom endlich türenschlagend zu Bett gegangen war und Al und ich aufgelegt hatten. Vor lauter Glück war ich so aufgedreht, dass ich nicht schlafen konnte. Der Film jenes ganzen Tages lief ohne Pause in dem kleinen Vorführraum meines Gehirns. In Wenn die Lichter ausgehen: Eine kurze illustrierte Geschichte des Films gibt es ein Foto, auf dem Alec Matto rauchend in einem Sessel sitzt und ein schmaler Lichtstrahl auf eine Leinwand fällt, die wir nicht sehen können. »Alec Matto in seinem privaten Vorführraum, beim Betrachten der Dailys für Wo ist Julia? (1947)«. Joan musste mir erst erklären, was Dailys sind – das sind sämtliche Filmaufnahmen eines Drehtages, mit denen der Regisseur sich irgendwann abends hinsetzt, rauchend, um sie sich anzusehen, vielleicht auch nur eine einzige Szene – ein Mann öffnet eine Tür, immer wieder, eine Frau zeigt aus einem Fenster, zeigt aus einem Fenster, zeigt aus einem Fenster. Das sind Dailys, und an jenem Abend habe ich sieben oder acht Streichhölzer gebraucht, um mir unsere atemberaubenden Dailys dieses Tages immer wieder anzusehen: wie ich nervös vor dem Kino stand, die Karten in der Hand, wie Lottie Carson mit all den Zügen nach Norden fuhr, wie ich dich küsste, wie ich dich küsste, unsere seltsame Unterhaltung im A-Post Novelties , wegen der ich total nervös war, nachdem ich Al davon erzählt hatte, obwohl er sagte, er habe keine Meinung dazu. Die Streichhölzer waren so ein kleines Er-liebt-mich-er-liebt-mich nicht- Spiel, aber dann las ich auf einmal auf der Schachtel, dass vierundzwanzig Stück darin waren, weswegen das Spiel auf nicht ausgegangen wäre, also ließ ich lieber eine kleine Handvoll von ihnen aufflackern und verlöschen, jedes einzelne ein neuer Kick, ein köstlicher kleiner Anstoß für jeden Teil, an den ich mich erinnerte, bis ich mir den Finger verbrannte und von da an nur noch still an all das dachte, was wir zusammen getan hatten.
    Â»Okay, und was nun?«
    Nach zwei Blocks war Lottie Carson abgebogen und hatte Majakowskis Traum betreten, ein russisches Lokal mit mehreren dichten Lagen von Gardinen im Schaufenster. Man sah absolut nichts, jedenfalls nicht von der anderen Straßenseite her.
    Â»Das Restaurant ist mir noch nie aufgefallen«, sagte ich. »Bestimmt isst sie da zu Mittag.«
    Â»Dafür wär’s ein bisschen spät.«
    Â»Vielleicht ist sie Basketballerin und hat auch den ganzen Tag Hunger.«
    Du schnaubtest leise. »Dann spielt sie wohl bei den Western Mustangs , das sind alles kleine alte Damen.«
    Â»Also gut, gehen wir ihr nach.«
    Â»Da rein?«
    Â»Wieso nicht, das ist schließlich ein Restaurant.«
    Â»Sieht aber ziemlich elegant aus.«
    Â»Wir müssen ja nur eine Kleinigkeit bestellen.«
    Â»Min, wir wissen doch nicht mal, ob sie’s ist.«
    Â»Aber vielleicht hören wir, ob der Kellner sie Lottie nennt.«
    Â»Min –«
    Â»Oder Madame Carson oder so. Ich meine, findest du nicht, dass das hier genauso aussieht, als könnte ein Filmstar hierherkommen, als Stammgast?«
    Du hast mich angelächelt. »Ich weiß nicht.«
    Â»Aber total.«
    Â»Kann sein.«
    Â»Und ob.«
    Â»Okay, okay«, sagtest du und wolltest mich über die Straße ziehen. »Du hast ja recht.«
    Â»Warte, ein bisschen sollten wir noch warten.«
    Â»Wieso?«
    Â»Weil es verdächtig ist, wenn wir gleich nach ihr reingehen. Wir sollten kurz warten,
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