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35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

35 - Sendador 02 - In den Kordilleren

Titel: 35 - Sendador 02 - In den Kordilleren
Autoren: Karl May
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das Schleifen über das Salz war es nicht besser geworden. Der Gürtel fehlte und eine Hälfte der Jacke. Die Hauptsache war, daß er noch lebte. Er kam bald zu sich und gelangte schnell zum Bewußtsein dessen, was geschehen war. Er sah mich lange in sichtbarer Verlegenheit an; dann hielt er mir die Hand hin und sagte:
    „Señor, ohne Sie läge ich jetzt da unten. Sagen Sie, wie ich Ihnen das vergelten kann!“
    „Seien Sie brav, und vergelten Sie es nicht mir, sondern denen, welchen Sie bisher übel getan haben!“
    „Das werde ich tun. Aber auch Sie sollen erfahren, daß ich dankbar bin. Ich gebe Ihnen die Kipus zurück.“
    Er griff in die Tasche.
    „Sie hatten sie in der Hand, als Sie durch das Salz brachen“, bemerkte ich.
    „In der Hand?“ fragte er enttäuscht. „O desdichado de mi! Es ist wahr; so habe ich sie im Wasser gelassen!“
    „Und niemand wird sie jemals finden können!“
    „Aber die Zeichnung, die Zeichnung, wenn Sie die haben, so – wo ist mein Gürtel?“
    „Auch im Wasser.“
    „O Himmel! Ich hatte die Zeichnung da eingeschlagen.“
    „So ist sie auch fort?“
    „Auch fort, verloren! Was tun wir? Sie müssen sie haben. Ich muß sie schaffen; ich gehe wieder hinüber!“
    Er sprang auf, um sich abermals auf das Salz zu begeben.
    „Bleiben Sie!“ gebot ich ihm. „Sie erreichen nichts, wenigstens Sie allein. Die einzige Möglichkeit des Gelingens ist dann vorhanden, wenn wir alle unsere Bemühungen vereinigen. Wir müßten das Salz entfernen und dann suchen. Dazu gehören Boote und Werkzeuge, welche wir nicht besitzen. Vielleicht kommt uns ein Rat, ein guter Gedanke. Wir werden überlegen. Jetzt aber kommen Sie mit uns zu Ihrem Vater!“
    Er weigerte sich nicht und ging mit uns, ohne daß es uns einfiel, ihn zu binden. Wir hatten die Überzeugung, daß er uns nicht wieder entfliehen werde. Was meine Gefährten zu meinem Wagnis, zu Pferd auf das Salz zu gehen, sagten, das braucht nicht berichtet zu werden. Es war keineswegs eine Heldentat, sondern höchstens ein kleines Wagnis, wie jeder es einmal unternimmt. Als wir oben auf der Felsenplatte angekommen waren, warfen die Chiriguanos und Tobas mir Blicke zu, welche mir deutlich zeigten, wie ich ihnen imponierte. Ein wenig Mut, und man erwirbt die Achtung dieser Leute leicht.
    Der Sendador hatte sich wieder niedergesetzt. Seine Augen leuchteten, ob vor Freude oder in der Glut des Fiebers, das war schwer zu sagen. Er reichte seinem Sohn die Hand, zog ihn neben sich nieder und ließ ihn erzählen. Wir traten zurück, denn es war uns jetzt nicht mehr von Wichtigkeit, zu hören, was er mit seinem Sohn sprach. Ich war vollständig überzeugt, daß er nun doppelt über mich ergrimmt sei, da ich seinen Sohn fast in den Tod getrieben, sein Entkommen verhindert hatte und auch an dem Verlust der Kipus und Pläne die Schuld trug.
    Dieser Verlust ging uns allen sehr nahe. Mancher von uns hatte doch wohl im stillen die Hoffnung gehegt, daß das Auffinden des Verstecks ihm Vorteil bringen werde.
    Wie erstaunte ich, als der Sendador mich und den Bruder zu sich rief und uns in einem Ton, den wir bei ihm gar nicht für möglich gehalten hätten, sagte:
    „Señores, als ich meinen Sohn versinken sah, ist mir das Herz gebrochen. Mit einemmal sah ich, was für ein Mensch ich gewesen bin. Sie glauben, mich zu kennen, aber Sie kennen mich nicht. Ich weiß, daß ich sterbe. Ich will vorher mein Herz erleichtern, indem ich Ihnen alles, was ich begangen habe, erzähle. Hören Sie meinen Lebenslauf!“
    „Nein“, wehrte ich ab. „Hat die Vorsehung Ihren Tod beschlossen, so gehören Ihre letzten Stunden oder Augenblicke nicht mir und anderen profanen Personen, sondern Gott. Hier ist unser guter und frommer Frater Hilario. Vertrauen Sie ihm, was Ihr Herz beschwert, und Sie werden von ihm den rechten Trost erhalten.“
    „Sie haben recht. Aber sagen Sie mir, ob Sie mir verzeihen!“
    „Von ganzem Herzen.“
    „Was werden Sie mit meinem Sohn tun?“
    „Nichts. Er mag gehen, wohin er will. Ich hoffe, er wird nie vergessen, hier den Beweis erhalten zu haben, daß Gott gerecht, doch auch unendlich gnädig ist! Ich hatte nur mit Ihnen zu tun und bin nicht sein Richter.“
    „Dann komm her, mein Sohn; gib mir deine Hand, und höre, was ich dir sage! Es ist entsetzlich, wenn ein Vater zu seinem Kind so reden muß, wie ich jetzt zu dir; aber ich habe vor dir und mit dir gesündigt und dich den Weg des Verbrechens geführt; meine Reue kann mir die Hoffnung auf
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