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326 - Schlangenmenschen

326 - Schlangenmenschen

Titel: 326 - Schlangenmenschen
Autoren: Manfred Weinland
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ausgesehen. Aber die vom gelungenen Raketeneinsatz geweckten Erwartungen hatten jetzt schon einen gewaltigen Dämpfer erfahren. Entweder war die Himmelswacht so schlecht justiert, dass sie nur auf Riesenbrocken von mehreren hundert Metern Durchmesser reagierte – oder die Anlage war so in die Jahre gekommen, dass dieser eine Abschuss sämtliche Reserven aufgebraucht hatte, sowohl hard- als auch softwarebezogen.
    »Das System wurde von unseren Vorfahren so installiert, dass es im Gefahrenfall völlig autark arbeitet«, erzählte Serpon. »Als das große Trümmerstück geortet wurde, ging ein Alarm los, der uns am allermeisten erschreckte. Dann liefen Automatismen ab, in die wir weder eingreifen konnten, noch wollten. Auf meinem Bildschirm erschienen alle Angaben zu der akuten Bedrohung. Der Raketensilo öffnete sich ohne mein Zutun, und die die unterirdische Computeranlage gab die Startsequenz und die Zielkoordinaten in die Steuerungssysteme der Rakete ein...«
    »Sie waren also nur ein unbeteiligter Beobachter.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Immerhin, dachte Matt, hat der Computer fehlerfrei funktioniert. Vielleicht ist doch nicht alles verloren.
    Comm’deur Serpon nickte niedergeschlagen. »Die Zeiten, in denen wir noch wussten, was wir taten, sind lange vorbei. Und selbst die Erinnerung an diese Zeiten verblasst.« Er musterte Matt mit dem fragenden Blick eines Großvaters, der abschätzte, ob seinen Enkel überhaupt interessieren mochte, was er ihm anvertraute.
    »Wenn Sie wollen, könnte ich Ihnen über die Ursprünge der BASTILLE berichten – zumindest das, was davon noch überliefert ist.«
    Matt nickte. Bis Takeos Lagebericht kam, hatte er ohnehin nichts Besseres zu tun, als sich zu schonen und neue Kraft zu schöpfen. »Ich würde es gern hören«, sagte er.
    Und so begann Benedict Serpon mit brüchiger Stimme zu erzählen.
    ***
    » Das ist das Steuerzentrum der Himmelswacht? Herz und Hirn sozusagen?« Xij schüttelte ungläubig den Kopf.
    Miki Takeo schob sich hinter ihr vorbei in den von summenden Neonröhren erhellten und mit teils asthmatisch keuchenden Rechnerblöcken gefüllten Raum, den Inscher Roch für sie geöffnet hatte. Mit fast rituell anmutenden Bewegungen hatte sie Räder gedreht, die an einen antiquierten Banktresor erinnerten, dabei immer wieder kurz innegehalten und dem Zurückschnappen der Verriegelungen gelauscht.
    Auch der Android wirkte erschüttert. Seltsame Laute kamen aus seinen Schallmembranen.
    »Wann waren Sie das letzte Mal hier unten?«, fragte Xij unverblümt. »Hier wurde doch seit Jahren nicht mehr saubergemacht.«
    Die Tochter des BASTILLE-Regenten errötete. »Das stimmt nicht. Jeden Monat wird ein Routinecheck durchgeführt.«
    »Was wird dabei gecheckt?«, fragte Xij sarkastisch. »Die Luftfeuchtigkeit? Die Staublastigkeit hier drinnen? Erzählen Sie mir bloß nicht, dass auch nur einer dieser Schränke in den letzten Jahren geöffnet wurde, um einen Lüfter, einen Prozessor oder Arbeitsspeicher auszutauschen.«
    Inscher Roch kniff die Lippen fest zusammen.
    »Ich schau’s mir an«, sagte Miki Takeo und setzte sich in Bewegung. Offenbar hatte ihm eine kurze Orientierungsphase genügt, um in der chaotisch anmutenden Anhäufung von Gerätschaften so etwas wie ein Kontrollpanel zu sichten.
    »Wenn hier alles ohne Einschränkungen funktionieren würde«, sagte die Bürgerin der BASTILLE in einem zaghaften Versuch, ihre ursprünglich demonstrierte Kompetenz wenigstens ansatzweise wiederzugewinnen, »hätten Sie diesen Raum nie zu Gesicht bekommen. Dann hätten wir uns –«
    »– jede Einmischung verbeten.« Xij nickte. »Ja, das denke ich mir. Aber so ist es nun mal nicht. Sie haben das Erbe Ihrer Vorfahren verkommen lassen – und wir müssen es heute ausbaden.« Es ärgerte sie wirklich. Synapsenblockade hin oder her – um den Staubwedel zu schwingen, brauchte es keine Geistesgröße. »Es scheint mir wie ein Wunder, dass zumindest die eine Rakete gestartet ist und sogar ihr Ziel getroffen hat. Aber wenn ich mir das hier ansehe, zweifle ich daran, dass es ein zweites Wunder geben wird.«
    »Es liegt nicht nur an uns«, verteidigte sich Inscher Roch. »Vor Jahren war die gesamte BASTILLE für einen langen Zeitraum völlig ohne Strom. Wir konnten keinen Fehler finden, weder in der Stromversorgung noch in den Verteilern. Nicht einmal Taschenlampen funktionierten noch. Es war unheimlich. Weil auch die elektrischen Tore ausfielen, kamen wir in diesen Bereich gar
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