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317 - Die letzten Stunden von Sodom

317 - Die letzten Stunden von Sodom

Titel: 317 - Die letzten Stunden von Sodom
Autoren: Ronald M. Hahn
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ganzen Palast absuchten. Und plötzlich ging ihm auf, wie der Daa’mure Noels Leuten entkommen war.
    Melchior, der weder Xij noch Matt beachtete, ging voran. Schließlich kamen sie in einen von Kerzen erhellten Thronsaal. Mehrere Dutzend Menschen – Offiziere, Gardisten und bärtige Männer, die den Eindruck erweckten, Könige zu beraten – standen herum. Einige herzzerreißend schluchzende Frauen hatten sich ebenfalls versammelt.
    Die meisten Anwesenden musterten Matt und Xij mit eisiger Miene. Andere taten sich schwer, sich ein Grinsen zu verbeißen. Sie wirkten wie Erbschleicher, die sich freuten, dass der reiche Onkel endlich den Löffel abgegeben hatte. Matt hatte fast alle Anwesenden auf der Dachterrasse sitzen sehen.
    Er und Xij wurden auf einen ledernen Diwan geworfen. Noel versetzte Xij eine Ohrfeige. Sie erwachte und feuerte prompt eine Wortsalve ab.
    Melchior fauchte sie an. Xij runzelte die Stirn, schüttelte den Kopf und erwiderte etwas, das Matt auch ohne Kenntnis der fremden Sprache verstand: »Du hast wohl nicht alle Tassen im Schrank!«
    »Was geht hier ab?«, erkundigte er sich nervös. »Was werfen die uns vor?«
    Melchior deutete mit dem Finger auf Xij und ihn und schrie herum. Xij sagte: »Orlok ist tot. Er wurde vergiftet – nachdem wir angeblich in seinen Gemächern waren!«
    »Was?« Matt ruckte an seinen Fesseln herum.
    »Jetzt erzählt er den Beratern und Verwandten, dass seine Gardisten uns gesehen haben. Dass er auch dabei war, erwähnt er natürlich nicht.« Sie stockte. »Scheiße!«
    »Was ist?«, fragte Matt.
    »Orlok wurde mit Wein vergiftet – aus der Amphore, die wir bei uns hatten.«
    Matt glaubte den Boden unter den Füßen zu verlieren. Damit war klar, was er schon lange ahnte: Die ganze Verschwörung ging auf Melchiors Konto. Schließlich hatte er ihnen zu dem Gastgeschenk geraten.
    Melchior rief Rottenführer Noel als seinen Zeugen auf und stellte ihm Fragen, die Noel willfährig beantwortete.
    »Noel bestätigt alles«, sagte Xij. »Ich glaube, er hat die Hosen voll, weil ihm Grao durch die Lappen gegangen ist. Vielleicht weiß er nicht mal, dass Melchior einen Weg zu den Gemächern seines Bruders kennt, von dem die Garde keine Ahnung hat.«
    Der Hauptmann schnaubte heran wie ein wütender Bulle, baute sich vor Matthew auf – und griff ihm unter die Toga. Matt war zu verdutzt, um ihn rechtzeitig abzuwehren. Als Melchiors Hand wieder zum Vorschein kam und ein Beutelchen schwenkte, begriff er, dass er mit einem miesen Taschenspielertrick hereingelegt worden war.
    Melchior ging vor den versammelten Beratern und Familienangehörigen auf und ab, palaverte und schwenkte den Beutel. Xij musste nicht übersetzen, um Matt wissen zu lassen, dass er gerade die Anklage vorbrachte.
    Aus der großen Gruppe der schweigenden Zuschauer löste sich nun eine Gestalt und trat ins Licht der Kerzen: Orphea! Im ersten Moment glaubte Matt noch, dass sie ein Wort für ihn und Xij einlegen wollte, denn immerhin hatten sie ihr das Leben gerettet. Doch als die Prinzessin zu sprechen anfing, seufzte Xij so fatalistisch, dass seine Laune sich sofort verschlechterte.
    »Sie erzählt von der Angst des Königs vor den Magiern aus dem Engelland«, raunte sie Matt zu. »Und dass ihre Seherin in Grao das personifizierte Böse erkannt hat.«
    »Sie lebt also noch«, stellte Matt fest. »Erstaunlich.« Leider nutzte ihnen das nichts.
    »Eure Schuld ist erwiesen«, verkündete Melchior keine Minute später. »Ihr seid die Vorhut dämonischer Mächte! Man hat euch gesandt, damit ihr euch in mein Vertrauen einschleicht. Vermutlich war euer Kampf gegen die Räuber am Stadttor inszeniert, um mich zu beeindrucken und Zutritt zum Palast zu erhalten.« Er senkte den Kopf und fügte mit brüchiger Stimme hinzu: »Den Mord an unserem geliebten König konnte ich nicht verhindern. Aber ich werde dafür sorgen, dass er gerächt wird!« Damit wandte er sich zu Noel um. »Schafft das Mordgesindel ins Verlies.«
    ***
    Mit seiner Wandlungsfähigkeit hatte Grao sich dieses Mal selbst übertroffen. Noch während die Uniformierten in ihren Schlafraum eindrangen, erkannte er die Gefahr und nahm die Gestalt eines hünenhaften Gardisten an. Zwar verstand er kein Wort von dem, was die Primärrassenvertreter sprachen, doch als sie sich auf Mefju’drex und Xij stürzten, unterstützte er sie nach Kräften. Sein Helm und das Dämmerlicht halfen dabei, dass ihn niemand als Fremdkörper in dem Trupp erkannte.
    Sein erster Gedanke
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