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316 - Die Pest in Venedig

316 - Die Pest in Venedig

Titel: 316 - Die Pest in Venedig
Autoren: Michelle Stern
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keine Chance.
    Die Wache, die sich nicht rührte, gab Befehle. Obwohl Matt die Sprache nicht verstand, wusste er, dass er gefesselt werden sollte. Erst in dem Moment fiel ihm auf, dass der Befehlsgeber besser gekleidet war als die anderen. Er musste ihr Anführer sein. Zwischen seinen blauen Augen lag eine scharf gebogene Nase. Seine aufrechte Haltung strahlte Aristokratie aus.
    »Was wollt ihr von uns?«, fragte Matt auf Deutsch, danach auf Französisch. Auch die Sprache der Wandernden Völker versuchte er, während er den Wachen auswich. Er hasste das Gefühl in seiner Brust. Sie gingen mit ihm um wie mit einem Tier, das in ihrer Falle saß. Stolz hob er den Kopf. »Ich verlange einen Übersetzer.«
    »Abgelehnt«, sagte der Anführer kalt im Deutsch dieser Zeit.
    Dieser Kerl sprach Deutsch! Für Matt klang es wie ein starker Dialekt. Er öffnete den Mund und schloss ihn wieder. In aller Eile überlegte er sich eine Geschichte. »Mein Name ist Matthias von Drechs. Ich bin ein Gesandter und möchte wissen, was mir vorgeworfen wird.«
    Die Wachen packten und fesselten ihn. Matt ließ es zähneknirschend über sich ergehen. Der Anführer legte den Kopf schief und zeigte ein feines Lächeln. »Matthias von Drechs, so, so. Wir werden uns gleich über Eure Abstammung unterhalten.« Es klang wie eine Drohung.
    Matt brach die Hitze aus. Dieser Mann wusste, dass er log.
    »Der Savi...«, murmelte Xij hinter ihm. Ihre Augen wirkten riesig in dem viel zu blassen, verängstigten Gesicht. Sie wehrte sich nicht, als auch ihr die Hände auf den Rücken gebunden wurden. Sie setzte sich nicht einmal auf. Sichtlich entkräftet blieb sie liegen. Einer der Männer zog ihre gefesselten Hände hoch, als wollte er ihr langsam die Schultern auskugeln.
    »Lass sie!«, fuhr Matt ihn an.
    Der Anführer, den Xij wohl mit »Savi« meinte, sagte ein paar herrische Worte. Der Wachmann ließ Xij los, und alle vier verließen die Zelle. Die Tür krachte ins Schloss. Matt sah besorgt zu Xij. Sie gab keinen Laut von sich, ihre Augen waren offen und stierten ins Nichts.
    Mit gezücktem Dolch kam der Anführer auf ihn zu. »Der Savi«, sagte er nachdenklich... auf Hydritisch! »O ja, das bin ich wohl in Venetia. Aber ist nicht die Frage spannender, wer ich sonst noch bin?«
    Matt sah ihn fassungslos an, öffnete den Mund und hielt inne. Er hatte das Gefühl, in ein Messer zu laufen. Der Gesichtsausdruck des Savi zeigte ihm, wie recht er mit diesem Eindruck hatte. Die Worte waren nichts als eine Falle gewesen, in die Matt gnadenlos getappt war. Durch seine Reaktion hatte er sich verraten.
    »Du verstehst also Hydritisch«, fuhr der Savi fort. »Natürlich tust du das, weil auch du ein Quan’rill bist. Genau wie deine kleine Freundin. Aber im Gegensatz zu ihr schirmst du deine Gedanken ganz ausgezeichnet ab.«
    »Es...«, setzte Matt zu einer Erklärung an, doch dann zögerte er. Alles, was er sagte, konnte die Lage noch schlechter machen. Er wusste zu wenig über diesen Savi. »Was willst du von uns?«
    »Ich will wissen, welcher der Räte euch schickt! Als ich deine Freundin auf dem Markusplatz Hydritisch sprechen hörte, dachte ich noch, sie wäre eine Beobachterin. Ich wollte sie retten vor diesen Parasiten, die sie geschnappt hatten. Aber dann hat sie mein Haus so zielstrebig durchsucht, wie es keine Beobachterin tun würde.«
    Matt verstand nun zumindest, warum der Savi Xij mitgenommen hatte. Aber was hatte Xij in seinem Haus gefunden? Und warum bezeichnete er die Menschen Venedigs als Parasiten? Sah er die gesamte Menschheit so? Er schluckte trocken. »Wir sind keine Spitzel.« Wieder zögerte er. Jedes Wort konnte eins zu viel sein.
    Der Savi sah ihn zornig an. »Du gestehst es also nicht? Weißt du wirklich, wo du dich befindest? Das ist die Welt der Menschen. Sie sind nicht wie wir. Ihre Foltermethoden sind grausamer, als sie selbst ein Mar’osianer erfinden könnte. Möchtest du, dass ich dir die Haut abziehen lasse? Dich erst an den Füßen, dann an den Knöcheln verbrenne, und dann immer weiter hinauf, bis du endlich redest und mir Namen preisgibst?«
    Matt schloss die Augen. Kaltes Entsetzen packte ihn. Er kannte keine Namen, also wie sollte er welche preisgeben? Fieberhaft überlegte er, wie er Xij und sich aus dieser Lage befreien konnte.
    »Du schweigst?«, fragte der Savi lauernd. »Bist du sicher, dass du nicht reden willst? Ich werde dich und deine Begleiterin töten, wenn ihr mir keine Wahl lasst. Für Morgen wäre da noch eine
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