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313

313

Titel: 313
Autoren: B Tewaag
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was Sie alles in Bewegung gesetzt haben. So kenn ich das hier gar nicht.«
    Der Kupp fühlt sich geschmeichelt. »Ja, Herr Karl, wenn ich schon den ganzen Tag draußen bin, muss ich ja nicht nur Kippen sammeln, da kann ich ja auch anständige Sachen machen. Macht doch Spaß, wenn man sieht, dass was wächst und so.«
    Der Oberboss ist wirklich total beeindruckt, dass da einer von den Gefangenen mal Verantwortung für seine Umgebung übernimmt. Das gefällt ihm sowieso am meisten, wenn einer Verantwortung übernimmt, und er sagt dem Kupp, er solle ruhig ein Anliegen schreiben, wenn ihm was an Werkzeugen fehlt oder so.
    In den nächsten Tagen bekommt der Kupp dann nicht nur die komplette Reihe Harken, Schaufeln, Nägel, Drähte, Faden und so weiter, auch an Samen kriegt er jetzt, was er will. Dazu schenkt ihm der Karl noch einen Hilfsarbeiter obendrauf, der ihm beim Unkraut jäten helfen soll, was im Endeffekt natürlich heißt, dass der Kupp gar nicht mehr auf der Erde rumkraucht. Der läuft nur noch seine Beete ab, während wir in unseren Zellen schwitzen. Ohne nasses Handtuch auf’m Kopf hältst du es in dieser Hitze überhaupt nicht aus. Was im Sommer für Temperaturen im Knast herrschen, das ist nicht mehr lustig. Die Luft steht, die Leute stinken, es ist richtig übel, und der Kupp ist draußen und wird braun.
    Als er sich letztens einfach mitten in den Hof legt und sonnt, ruft ihn die Zentrale aber per Lautsprecher zu sich. Die Beamten überwachen ja auch den Hof mit Kameras und fragen den Kupp, was das soll. Aber er sagt, er habe jetzt vier Stunden gearbeitet und müsse einfach mal fünf Minuten liegen. Dann bitten die ihn, sich das nächste Mal wenigstens nicht mitten in den Hof zu legen, sodass alle Häftlinge ihn sehen können. Der Kupp ist eben so ein sympathischer Kerl, bei dem siehst du schon am Grinsen, dass der nur Unsinn im Kopf hat. Jetzt sitzt er grad wieder vor seinem Beet und macht mit irgendwelchem Draht rum.
    »Hey Kupp, was wird denn das nun wieder?«, ruf ich rüber.
    »Hey Stein«, sagt er, »habt ihr ’n Kaffee für mich?«
    Ich reich ihm durch die Gitter ’ne Tasse von dem frisch gebrühten Kaffee, den das Chamäleon immer für uns macht, seit er als vierter Mann ins Essenausgeberteam aufgenommen wurde. Das Chamäleon ist sozusagen mein neuer Franz und damit auch für die Ordnung und Sauberkeit meiner Zelle verantwortlich. Bezahlt wird wie gehabt in Zigaretten.
    Der Kupp kommt ans Fenster und erzählt, dass seit einiger Zeit seine schönen Tomaten immer weniger werden. Er hatte erst die verdammten Kaninchen im Verdacht, aber erstens sind die Tomaten fast noch grün und zweitens weiß er nicht, wie die Kaninchen mit ihren blöden Pfoten Tomaten pflücken wollen. Dann hat er beim letzten Hofgang eine von den Geldstrafen erwischt, wie sie sich im Vorbeigehen einfach ’ne Tomate abgezwackt hat.
    »Stell dir vor«, sagt der Kupp, »die fressen die grün.«
    »Kriegt man davon nicht die Scheißerei?«, frag ich.
    »Frag mal den Hausarbeiter, der auf der 2. Station die Klos schrubbt«, sagt Kupp, »der geht da nur mit Gummistiefeln rein.«
    »Und was willst du jetzt machen?«, frag ich.
    Da erzählt mir der Kupp, dass er per Anliegen eine Rolle fetten Draht und das entsprechende Werkzeug bestellt hat, damit er große Körbe flechten kann, die er über die Pflanzen stülpen will. Dann wären sie im Sicherheitsbereich quasi noch mal umzäunt.
    »Du willst deine Tomaten einknasten?«, frag ich.
    Und er sagt: »Sie sind hier drin einfach nicht sicher.«
    Aber wer ist das hier schon? Zwischen all der Langeweile, die herrscht, dem täglich grüßt das Murmeltier, kommt es immer wieder zu Ausbrüchen und Kräftemessen auf extremen Niveau. Und Provokation ist das Lieblingsstilmittel. Als mich der eigentlich unscheinbare Typ in der Küche anmacht, ich hätte sein Gemüse geklaut, kontere ich noch: »Ich hab dein Scheißgemüse nicht angefasst, ich hasse Gemüse.« Aber zu dem Zeitpunkt war es schon zu spät. Wie absurd, ich wolle ihm Gemüse zum Kochen stehlen. Der Gefangene Mitte 40 hält mir ein rasiermesserscharfes Brotmesser an den Hals. Das Knast-Brotmesser ist so weich, das man damit niemals jemanden abstechen könnte, es würde vorher verbiegen, weil es so butterweich ist, eben ein Buttermesser, das macht es aber auch gefährlich. Mittels eines stinknormalen Kaffeebechers bekommt man es aber auf Rasierklingenschärfe, grade weil es eben so weich ist. Nicht mal ein Zentimeter zwischen der Klinge
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