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313 - Der verlorene Pfad

313 - Der verlorene Pfad

Titel: 313 - Der verlorene Pfad
Autoren: Stephanie Seidel
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seinem neuen Luftschiff. Wie immer, wenn er verärgert war und eine Auszeit brauchte. Der einsame Hangar war dafür ideal, und auf dem Pilotensitz in der abgedichteten Gondel konnte er sich in aller Ruhe ausstrecken und ein bisschen Schlaf nachholen.
    Die Tekknik hat schon einmal die Welt verändert, dachte er, und sie wird es wieder tun! Rulfan stieg über einen Koppelzaun und setzte seinen Weg zum Luftschiff-Hangar quer über die Wiesen fort.
    Wo wären wir denn heute ohne Tekknik? Wir würden immer noch um Lagerfeuer sitzen und uns den Arsch abfrieren. Er blickte kurz zurück. Canduly Castle wäre kalt wie ein Eisklotz ohne das moderne Heizsystem, das Patrick und ich eingebaut haben! Aber das setzt Myrial als selbstverständlich voraus. Wenn sie wenigstens mal einem Flug mit dem Luftschiff zustimmen würde! Aber nicht mal dafür kann ich sie begeistern!
    Rulfan fühlte sich richtig mies. Er liebte Myrial und seinen Sohn, doch im Moment sah es so aus, als wäre er mit seinem Bemühen um ein harmonisches Familiendasein gründlich gescheitert.
    Ich bin einfach nicht geschaffen dafür, dachte er – und stutzte im nächsten Moment. Weit draußen auf den Wiesen vor Canduly Castle bewegte sich etwas!
    Der Albino blieb stehen. Der Schnee blendete ihn, also beschattete er seine empfindlichen Augen mit der Hand und versuchte herauszufinden, was da auf ihn zukam.
    Anfangs erkannte er nur zwei Personen – eine große und eine kleine, beide dick vermummt in Pelze. Doch nach und nach wurden Details sichtbar. Rulfan identifizierte die kleinere Gestalt als einen Jungen, etwa zehn, zwölf Jahre alt. Er war in Begleitung einer Frau. Sie hatte langes schwarzes Haar, das in weichen Wellen bis fast zu den Hüften herabfiel. Die Sonne, die hin und wider durch die Wolken brach, ließ es fast bläulich aufleuchten.
    Das kann nicht sein, dachte Rulfan verdattert. Es gab nur eine Frau, die er kannte, mit solchem Haar. Und mit diesen gemalten Linien im Gesicht!
    »Aruula?«, flüsterte er.
    ***
    »Schau, Juefaan!« Aruula packte den Jungen bei den Schultern und zeigte nach vorn. Das Herz hüpfte ihr in der Brust, nachdem sie die einsame Gestalt mitten auf der Wiese erkannt hatte, die jetzt langsam auf sie beide zukam. »Siehst du den Mann da vor der Burg? Das ist dein Vater. Das ist Rulfan!«
    »Aber der ist ja uralt!«, rief Juefaan erstaunt. »Seine Haare sind ganz weiß!«
    Die Barbarin lachte. »Rulfan ist ein Albino, die haben weiße Haare. Und rote Augen. Aber das hab ich dir doch schon erzählt.«
    »Ich hatte nicht mehr dran gedacht.« Juefaan ließ keinen Blick von dem Mann, der früher mal mit seiner Mutter zusammen gewesen war, den Juneeda einst geliebt hatte. Aufgeregt drängte er vorwärts. »Kann ich... kann ich mit ihm sprechen?«
    »Ja, aber ich muss dir vorher noch was sagen.« Aruula hielt Juefaan an der Kapuze fest, überholte ihn und ging vor dem Jungen in die Hocke. Eindringlich sah sie ihn an. »Hör zu! Rulfan ist ein wirklich guter, ehrenwerter Mann. Das weiß ich sicher. Aber er hat keine Ahnung, dass es dich gibt! Und wenn wir jetzt zu ihm hingehen, dann betreten wir ein Leben, das er seit vielen Jahren führt. Alles darin ist geregelt. Alles hat seinen Platz.«
    »Nur ich nicht.« Juefaan senkte den Blick.
    Aruula betrachtete ihn mitleidig. Der Zehnjährige wirkte auf einmal so schmal, so verloren. Sie lächelte ihm zu. »Stell dir mal vor, wie es umgekehrt wäre. Wenn plötzlich ein Mann, von dem du noch nie gehört hast, zu dir käme und sagen würde: Ich bin dein Vater!« Sie schüttelte den Kopf. »Da würdest du auch Zeit brauchen, um dich an den Gedanken zu gewöhnen, oder nicht? Das geht nicht von heute auf morgen.«
    Juefaan nickte stumm.
    »Siehst du. Und deshalb möchte ich, dass du auch Rulfan ein bisschen Zeit lässt! Gib ihm die Chance, dich erst einmal zu sehen, mit dir zu reden und herauszufinden, was für ein wunderbarer Junge du bist.« Aruula legte einen Finger unter Juefaans Kinn und hob es an, bis er ihr in die Augen sah. Dann knurrte sie mit einem Zwinkern: »Wenn du nicht gerade ein ganzes Schiff in Aufregung versetzt, weil du bei Nacht und Sturm nach Piraten Ausschau halten willst!«
    »Ich hab doch gesagt, dass es mir –«
    »Ich weiß«, unterbrach sie ihn. »Ist auch längst vergessen.« Sie stand auf. »Also, wir machen es so: Ich sage Rulfan, dass du ein Junge von den Dreizehn Inseln bist, der Sohn einer Priesterin. Mehr nicht. Alles andere erzählen wir ihm erst später in einem
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