Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
30 - Auf fremden Pfaden

30 - Auf fremden Pfaden

Titel: 30 - Auf fremden Pfaden
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
noch besser. Hättest du doch mehr von ihr! Nun aber bin ich müde. Willst du dich wieder mit mir schlafen legen? Wenn wir erwachen, sollst du mich auf den Fjäll begleiten, denn ich habe etwas Wichtiges mit dir zu sprechen.“
    Die letzten Stunden hatten uns alle mehr oder weniger ermüdet, und so wurde seinem Vorschlage Beifall gespendet. Man verschloß den Rauchfang, welcher wieder geöffnet worden war, von neuem und bald war die beneidenswerte Situation, aus welcher uns der Bär gerissen hatte, wiederhergestellt.
    Der Mensch, und besonders der Reisende, gewöhnt sich bald an alles, und so schlief ich ganz glücklich ein und erwachte nicht eher wieder, als bis die holde Marja beim Wiederanfachen des Feuers meine langen Pelzstiefel näher zog, um sich ihrer als Schemel zu bedienen, obgleich zufälligerweise meine beiden Beine darin steckten. Ich hielt den Druck ihrer kleinen Person geduldig aus, bis sie fertig war und mir in anerkennenswerter Aufmerksamkeit meine ausgestreckten Knie wieder an den Leib geschoben hatte. Dann erhob ich mich behaglich in sitzende Stellung, um zuzusehen, wie die Morgensuppe zubereitet wurde.
    Als erste Ingredienz zu derselben diente natürlich der Absud, welcher vom Kochen des Bäreneingeweides im Kessel zurückgeblieben war. Dazu kamen Stücke geronnenen Blutes, zerbrockter Rentierkäse, welcher ungefähr so schmeckt, wie ein altes, hörnernes Spieldosengehäuse schmecken würde, wenn man es kauen wollte, sodann eine Portion Sick (eine Art Lachs), welche ihre Anwesenheit durch einen mehr als zudringlichen Geruch zu erkennen gab, einige Hände voll Bläbär (Vaccinium myrtillus), etwas Salz, welches es nur darum geben konnte, weil Vater Pent ein reicher Mann war, eine kleine Gabe Mehl, welches aber trockenen Sägespänen ähnlich sah, und zuletzt noch das, ich weiß nicht auf welche Weise gereinigte Gedärme des Bären, natürlich in Stücke zerschnitten und zerrissen, deren Purifikation von sehr zweifelhafter Natur zu sein schien.
    Anstatt an diesem Mahl mich zu beteiligen, zog ich es vor, mir ein Stück Rentierfleisch auszubitten, welcher Wunsch auch herzlich gern befriedigt wurde, da man froh zu sein schien, meinen Suppenanteil mit verzehren zu können.
    Nach diesem Frühstücke, welches eigentlich kein Frühstück genannt werden konnte, da wir jetzt die monatelange Winternacht des Nordens hatten, ersuchte mich Vater Pent, ihm in das Freie zu folgen. Wir nahmen unsere Spieße und Flinten zu uns und fuhren mit den Füßen in die Schneeschuhe. Er führte mich ganz denselben Weg, auf welchem wir gestern dem Bären gefolgt waren. Dies ließ mich vermuten, daß die angedeutete Unterredung sich auf sein letztes, unglückliches Abenteuer beziehen werde, doch glitt er schweigend voran und sprach nicht eher ein Wort, als bis er droben im Wald den Punkt erreichte, an welchem er sich von uns getrennt hatte.
    „Piejo, Härra – setze dich, Herr!“ sagte er, indem er sich selbst in den weichen Schnee niederließ. „Ich werde mit dir über eine Sache reden, von welcher niemand etwas wissen darf.“
    Ich nahm an seiner Seite Platz, und die Hunde, ohne welche kein Lappe seine Hütte verläßt, legten sich vor uns nieder. Selbst der Gast bekommt, wenn er längere Zeit bei ihnen bleibt, einen dieser treuen, immerwährenden Begleiter zugeteilt. Der Alte blickte eine Weile vor sich nieder; er schien nach dem rechten Eingang zu suchen, und ich hütete mich, sein Nachdenken durch ein Wort zu unterbrechen. Endlich begann er:
    „Härra, du kannst schweigen?“
    „Ja“, antwortete ich einfach.
    „Und du wirst auch schweigen?“
    „Ja.“
    „Ich glaube es dir, denn ich habe dich beobachtet und kann dir vertrauen. Willst du mir einen Dieb fangen?“
    „Einen Dieb –? Ich –?“ fragte ich verwundert.
    „Ja, du! Wenn bei uns eine böse Tat geschehen ist, so sendet der Konoks (König) seine Soldaten her, welche den Täter suchen müssen; aber es vergeht eine sehr lange Zeit, ehe sie die weite Reise beenden, und dann ist er bereits längst nach Norje (Norwegen) verschwunden, wohin sie ihm nicht folgen dürfen. Auch sind diese Männer selten klug genug, um einen Samelats (so nennt sich der Lappländer, während er das Wort ‚Lappe‘ beinahe als einen Schimpf betrachtet) zu fangen, der die Gegend besser kennt als sie.“
    „Bist du bestohlen worden?“ fragte ich.
    Sein sonst so freundliches Gesicht nahm einen ganz grimmigen Ausdruck an.
    „Ja“, antwortete er mit einem wilden Blicke seiner
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher