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293 - Running Men Blues

293 - Running Men Blues

Titel: 293 - Running Men Blues
Autoren: Stephanie Seidel
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selbst übernehmen.
    Als hinter Wallace die Tür ins Schloss fiel und er allein war in der Stille des Gefängnisses, ließ er seinen Tränen freien Lauf. Sie vermischten sich mit dem Blut, das ihm aus der aufgeschlagenen Lippe rann, und tropften am Kinn herunter. Wallace tastete nach einem Taschentuch.
    Plötzlich stutzte er. Etwas knisterte unter seinen suchenden Fingern.
    Wallace zog die Hand aus der Tasche. Starrte verwundert auf einen Zettel. Er konnte sich nicht erklären, wie das Papier in seinen Besitz gelangt war, bis er es auseinander faltete und die Nachricht las.
    Durch den Luftschacht, in einer Stunde!
    Wallace setze sich auf den Boden, weil seine Knie nachgaben. Die Buchstaben tanzten vor seinen Augen und das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er die Wahrheit erkannte: Kroow mochte einen Scheinsoldaten ausgesandt haben, doch was vorhin vor dem Pentagon stand, war ein Running Man gewesen! Der vermeintliche Horn hatte die Prügelei provoziert, um ihm den Zettel zustecken zu können!
    Wallace schaute hoch. Tatsächlich: Da war die Klappe eines Luftschachts! Unerreichbar für ihn allein; es gab hier keine Möbelstücke, auf die er steigen konnte.
    Draußen in der Dunkelheit riss derweil Sigur Bosh den aufgeklebten Bart herunter und rieb sich das schmerzende Kinn. »Wallace hat einen ganz schönen Rumms am Leib!«, sagte er grinsend zu seinem indianischen Begleiter. Snakehunter hätte ihm den Weg freigeschossen, wenn etwas schief gegangen wäre. Jetzt hielt er ihm ein Funkgerät hin. Bosh nahm es und gab die vereinbarte Erfolgsmeldung durch.
    ***
    Zur gleichen Zeit in den Goonshacks
    »Eluu-Jäger hat freie Bahn!«, klang es aus dem Funkgerät. Der Empfang war sehr gut auf dem höchsten Gebäude der Goonshacks. Häuptling White Owl verzog keine Miene, als er die Hommage an sich hörte. Aufrecht stand er in der Dunkelheit, windumspielt, und nickte seiner Enkelin zu. »Die Seelen deiner Vorfahren begleiten dich«, sagte er. »Mach ihnen Ehre, Keeva!«
    Das mutige Indianermädchen ließ sich gerade von Nighthawk unter den Drachenflieger schnallen. LIBERTY WINGS hatten die Algonkin ihn getauft, »Flügel der Freiheit«. Er bestand aus Tierhäuten auf einem Holzgerippe und war nach White Owls Vorgaben in aller Stille auf dem Dach gefertigt worden.
    »Denk daran, dass er anders reagiert, wenn du Wallace bei dir hast!«, warnte Nighthawk. »Vom Pentagon drehst du nach Westen, dort ist eine freie Fläche, auf der du landen kannst. Mr. Bosh und Snakehunter warten auf dich.«
    »Ich weiß, Vater«, sagte Keeva. »Das haben wir wirklich oft genug besprochen.«
    Der Wind war sanft und kam von vorn, beste Startbedingungen also. Keeva holte tief Luft, dann packte sie die Haltestange und rannte los, quer übers Dach. Ihr ganzer Clan stand Spalier; das nahm ihr die Angst und ließ sie nicht langsamer werden, als der Rand immer näher kam.
    Die Drachenflügel schwankten, als Keeva ins Leere trat, doch sie hielten den LIBERTY WINGS auf Kurs. Lautlos glitt er mit ihr davon, über die Dächer der Stadt, den Fluss entlang.
    Es war ein wundersames, fast magisches Erlebnis, die Winterwelt von oben zu sehen. Eine Freiheit zu spüren, wie sie nur ein Vogel kennt. Keeva fühlte sich so frei! So glücklich, trotz aller Gefahren.
    Unter ihr zog das Lincoln Memorial vorbei. Noch lag es im Dunkeln, doch auf der Brücke zum Pentagon waren schon die ersten Militärfahrzeuge unterwegs. Ihre Scheinwerfer gierten nach dem Ziel, und Keeva musste die Lippen zusammenpressen, um nicht laut zu lachen: Kroow würde bald eine böse Überraschung erleben! Mr. Black hatte seinen Spion enttarnt; jetzt erwartete ihn Sergeant Horn gefesselt und splitternackt auf Lincolns Schoß! Das wurde bestimmt ein unvergessliches Wiedersehen!
    Weiter vorn kam ein sechseckiger Bau in Sicht. Das Pentagon. Die Hochburg des Schreckens. Keeva wurde schlagartig ernst. Fliegen war eine Sache - aber landen war etwas ganz anderes! Konzentriert steuerte sie den LIBERTY WINGS auf eine Ecke zu. Sie musste knapp hinter dem Rand aufsetzen, dann hatte sie die ganze Länge dieses Gebäudeteils, um auszulaufen und zu halten.
    Es war ein guter Plan. Nur der Drachenflieger spielte nicht mit. Mit der Nase voran knallte er aufs Dach, behielt seinen Schwung und glitt ungebremst weiter. Dabei schrammte er eine tiefe Schneise durch den Kieselbelag.
    Keeva wurde mitgeschleift. Verzweifelt kämpfte sie sich aus der Halterung, die sie an den Flieger fesselte. Stemmte ihre Füße nach vorn, griff
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