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2597 - Hyperkaelte

2597 - Hyperkaelte

Titel: 2597 - Hyperkaelte
Autoren: Christian Montillon
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wird das gesamte Wunder kollabieren, und die 20.000 Scheibenwelten werden vergehen. Vielleicht reißt ES auch schon vorher die Bewusstseine der dort Lebenden an sich ... «
    Die Altmutantin streckte die Hand aus, legte die Handfläche auf das Abbild der Energiekugel. Sie konnte es fast komplett umschließen; ein bizarrer Effekt der Wiedergabe. Vor der echten Kugel wäre Betty im Verhältnis weniger als ein Staubkorn in den Weiten einer Wüste gewesen.
    Sie hätte die Kugel am liebsten an sich gerissen und zerquetscht. Ja, sie würde alles tun, um ES beizustehen und das Solsystem zu retten, aber ...
    »Du hast mich gefragt, ob ich verstehe«, sagte sie. »Nein, Eritrea, wenn ich ehrlich bin, begreife ich nichts. Es ist mir zu hoch, warum ES so handelt. Aber dies hat nichts mehr mit meinem Verstand zu tun. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu glauben.«
    »Woran? An ES? Das Schicksal? Einen lenkenden Gott im Universum?«
    »Daran, das Richtige zu tun.« Betty wandte sich ab. »Ich war vorhin mit ES verbunden, habe die kreatürliche Todesangst empfangen, die entsetzliche Furcht vor dem Verlöschen. ES ist völlig darin eingewoben. Wir jedoch nicht. Also lass uns aufbrechen! Wanderer wartet.«
    *
    Im Sekundentakt rauschten neue Messdaten ein.
    Die Temperatur auf Wanderer fiel immer mehr dem absoluten Nullpunkt entgegen. Die Kunstwelt der Superintelligenz war längst eine erstarrte Eiswüste, deren Schneemassen nahezu alles verbargen. Und doch wurde es von Sekunde zu Sekunde schlimmer.
    »Bereits deutlich unter minus 200 Grad Celsius, und die Temperatur fällt weiter«, sagte Eritrea.
    Die beiden Frauen standen in der Pilotensphäre, vor ihnen ragte eine projizierte Arbeitsstation auf. Mehrere Bildschirme listeten die Messwerte.
    »Das ist nicht das Entscheidende.« Betty fühlte, dass ihre Hände zitterten. Sie schottete ihren Geist, ihre paranormalen Sinne von dem ab, was mit ES und Wanderer geschah. »Es ist nur ... ein Symbol für das, was mit der Superintelligenz geschieht. Das Kollektiv wird zerrissen, es verweht ... Raum und Zeit auf der Kunstwelt werden gefressen und zerfallen zu Staub.«
    Es waren nur hilflose Umschreibungen dessen, was sie fühlte und intuitiv empfand, vielleicht weil sie selbst so lange ein untrennbarer Teil der Superintelligenz gewesen war.
    »Eritrea«, sagte sie.
    Ihre Freundin schaute sie an.
    »Es kann sein, dass ich deine Hilfe brauche.«
    Captain Kush nickte. »Was soll ich ... «
    Die Altmutantin hörte nicht zu. Wenn sie zu lange nachdachte, würde ihr Verstand nur dagegensprechen, und auch Eritrea konnte zweifellos tausend Argumente finden. Aber Betty musste es tun. Sie musste versuchen, einen genaueren Eindruck von ES zu erhaschen.
    Also öffnete sie ihre geistige Abschottung ein wenig.
    Und der Tod bohrte sich in ihren Verstand.
    Splitter schossen auf sie ein und hackten ihr Bewusstsein in Stücke, bis sie schließlich begriff, dass nicht sie selbst in Fetzen lag, sondern die Superintelligenz. ES griff in seiner Verzweiflung nach dem letzten Strohhalm.
    Sie hörte 100 Millionen Schreie.
    Sah 100 Millionen Gesichter.
    100 Millionen Neo-Globisten, die ES in sich hineingerissen hatte, um sich mit ihrer mentalen Substanz zu stärken.
    100 Millionen Namen und Leben, die durch Bettys Verstand jagten.
    Unzählig oft wurde sie geboren, lebte und verwehte.
    Jahrmillionen an Lebenszeit drangen in sie ein, durchrasten sie mit schmerzhafter Intensität, und Betty stand eine Ewigkeit einfach nur da, bis sie eine Hand auf der Schulter fühlte. »Betty?«
    Eine Stimme aus der tiefsten Vergangenheit. »Betty!«
    Sie öffnete die Augen. Wieso lag sie am Boden? Weshalb drehte sich die Welt? Die Altmutantin lebte 100 Millionen Leben und war jung und alt, sie war arm und reich, sie hatte Kinder und war allein, hatte Ehepartner und Krankheiten, sie liebte und fror, und eine Ohrfeige riss sie in die Wirklichkeit zurück.
    Eritrea kniete neben ihr. Eritreas Mund stand offen, und ein Orkan schmetterte ihr daraus entgegen, die Augen waren blau und grün und gelb und rot und schwarz und weiß und golden wie der Funkenregen.
    Hände packten sie rechts und links am Kopf. Sie konnte sich nicht mehr bewegen. Eritrea beugte sich zu ihr, das Gesicht schmal, die Nase fein geschwungen. Eine Haarsträhne hing in die Stirn. Ihr Mund stand noch immer offen.
    Im Toben des Orkans hörte Betty nichts, aber sie sah, wie Eritreas Lippen sich bewegten. Sie formten
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