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2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende
Autoren: Michael Marcus Thurner
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von Ängsten und Manien beherrscht, die sich über fast zehn Millionen Jahre hinweg entwickelt haben. Diese Geschöpfe sind im humanistischen Sinne »böse«, und ich würde sie mangels der Furcht vor einem endgültigen Tod krankhaft dumm nennen.
    Sechs Schlachtlichter sind nun von der Horde kleiner Tryortan-Aufrisse verschlungen. Drei werden entkommen, zwei weitere sind wohl nicht mehr zu retten. MIKRU-JON wähne ich auf der sicheren Seite.
    Seltsam. Ich fühle kaum Nervosität.
    Bin ich zu müde, um Angst zu empfinden? Oder gibt es andere Gründe für meine Lethargie?
    Ich sehe Schweißtropfen auf Perrys Gesicht. In seinen Mundwinkeln zuckt es, und fände er die Gelegenheit, würde er sich wohl über die Narbe an seiner Nase kratzen. Wie er es schon so oft - wie oft? Einige Millionen Male? - getan hat.
    Fasziniert beobachte ich, was mein Freund unternimmt. Er hat diese ganz besondere Hochachtung vor dem Leben, die ich selbst nur sehr selten aufbringe und die unserem Arkoniden Atlan früher völlig wesensfremd war: Er strengt Körper und Geist über alle Gebühr an, um zwei Schlachtlichter vor dem drohenden Untergang zu retten, und irgendwie schafft er es, sie mithilfe von Fesselfeldern und Traktorstrahlern aus dem unmittelbaren Einflussbereich der Tryortan-Schlünde zu befreien.
    Unsere Gegner taumeln in Sicherheit, schwer angeschlagen, die Hüllen instabil flackernde Formenergie, kaum mehr als Produkte intelligenten Designs erkennbar.
    »Ich übergebe«, sagt Perry schwach und bedeutet dem Schiffs-Avatar, seinen Aufgaben nun wieder selbstständig nachzukommen.
    Mikru nickt still. Sie wirkt, als müsste sie die Vorgangsweise ihres Herrn und Meisters überdenken und evaluieren. Doch sie sagt kein Wort.
    Ich schon.
    »Warum? Die überlebenden Vatrox werden weder Blumensträuße an dich schicken, noch darfst du dir eine Änderung in ihrem Verhalten erwarten.«
    »Vermutlich.« Perry richtet sich auf und lässt sich vom SERUN Schweiß von der Stirn trocknen. »Aber es ist eben bloß ein Vermutlich. Man darf nicht ausschließen, dass eine kleine Geste ein großes Wunder bewirkt.«
    »Die ändern sich nicht. Das ist wie im Gleichnis von Skorpion und Frosch.«
    Er erinnert sich genau an die Geschichte. »Fabel«, sagt er grinsend.
    Wir werden getroffen. Die fünf Schiffseinheiten der Vatrox eröffnen ein konzentriertes Feuer. Auch wenn sie sich der Aussichtslosigkeit ihrer Aktion bewusst sein müssen, weil wir weit, weit außerhalb ihrer Kernschussdistanz sind.
    »Siehst du?«, sage ich, während Mikru auf einen Ausweichkurs geht. »Sie werden's niemals lernen.«
    »Behauptest du. Aber man sollte dieses Niemals immer wieder prüfen. Andernfalls kannst du nicht wissen, ob es sich nicht doch in ein Vielleicht oder in ein Ja verwandelt.«
    Wir beschleunigen, die Feinde bleiben zurück und drehen irgendwann ab.
    Ich fühle, dass mich eine gewisse Anspannung gepackt hat, denn ich kann nur mit Mühe ein Zittern meiner Beine verhindern. Es ist nicht mehr viel übrig geblieben vom stets ruhigen, ausgeglichenen Julian Tifflor, dem Sonnyboy, der gern mal ein kalkuliertes Risiko eingeht. Hier steht ein uralter Mann, der das Gewicht der Jahrtausende auf seinen Schultern fühlt.
    Perry, ruhig und kontrolliert wie immer, gibt Mikru Anweisungen, die Geschehnisse auszuwerten, abzuspeichern und mit weiteren Messergebnissen zu vergleichen, die wir im Lauf der letzten Stunden gesammelt haben.
    Dann lässt er das Schiff beschleunigen und einen weiteren Sektor der Schneise mit den überragenden Tast- und Ortungssinnen der Silberkugel erforschen. Wenn wir bloß wüssten, wonach wir zu suchen haben ...
    Ich nicke meinen Begleitern zu und verlasse die Zentrale. Ich benötige diese eine Stunde Schlaf. Komme, was da wolle.
    *
    Frisch geduscht und mit deutlich mehr Elan kehre ich in die Zentrale zurück. Ich treffe lediglich Mondra, Perry und Lloyd/Tschubai an. Die anderen Besatzungsmitglieder haben sich ebenfalls für ein Weilchen zurückgezogen.
    Mikru informiert mich über Versäumtes. Es handelt sich großteils um weitere Messergebnisse. Um psi-phänomenales Datenmaterial, mit dem ich verstandesmäßig nur wenig anfangen kann. Sie erzählt mir von gasförmigen Verdichtungen hier, von Konzentration interstellaren Staubs dort, von Datenkonvoluten, die vage Hinweise auf zerstörte Sonnen liefern.
    Mir reicht die Beurteilung durch den Schiffs-Avatar: Es findet sich nichts darunter, was uns in unserer derzeitigen Situation weiterhelfen könnte.
    Die
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