Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
2590 - Der Tote und der Sterbende

2590 - Der Tote und der Sterbende

Titel: 2590 - Der Tote und der Sterbende
Autoren: Michael Marcus Thurner
Vom Netzwerk:
besprochen; warum mussten sie für den nächsten Schnitt derart lange überlegen?
    Rence Ebion starrt konzentriert auf den Fels - und schneidet ihn entzwei. Ein Brocken poltert zur Seite, auf uns zu, zig Tonnen schwer, um nach wenigen Zehntelsekunden von einem Prallschirm abgefangen zu werden.
    »Dieser Teil ist wertlos«, behauptet Tanio Ucuz.
    Niemand sagt ein Wort. Die Mutanten machen weiter, ruhiger als zuvor. Rences Arbeit ähnelt der eines Frässpezialisten, der hauchdünne Felsschichten abnimmt.
    Zehn Minuten vergehen. Ich vermute, dass die Arbeit allmählich an die Substanz unserer beiden »Spezialisten« geht.
    »Es scheint groß zu sein», sagt Mondra, »größer, als wir angenommen haben. Und es hat die Form eines Zylinders.«
    Völlig unvermutet schneidet Rence an einer Seite ein breites Gesteinsband ab, das das Aussehen des übrig gebliebenen Brockens völlig verändert.
    »Ich glaube, dass es sich um eine Kugel handelt«, sagt er, um sich gleich darauf wieder seiner Arbeit zu widmen und kraft seiner Fähigkeit weitere dünne Schichten vom Gestein zu lösen.
    Eine Kugel ... In allen Ecken und Enden des Multiversums treffen wir auf diese geläufigste aller Formen. Sie scheint in vielerlei Hinsicht der kleinste gemeinsame Nenner aller Zivilisationen zu sein.
    Rence zuckt zusammen. Augenblicklich ist Perry bei ihm, stützt ihn und zieht ihn mehrere Schritte von der Gesteinskugel weg. Ein Schutzschirm entsteht.
    »Das ist nicht notwendig!«, protestiert der Mutant. »Ich bin bloß ein wenig unvorsichtig gewesen.«
    »Er hat recht«, ergänzt Tanio Ucuz.
    »Wir sind an die äußere Umgrenzung der Kugel geraten.«
    Mikrosonden setzen sich in Bewegung. Sie lassen sich auf dem Gestein nieder, krabbeln da und dort umher. Sie liefern Bilder und Daten, die weit über das hinausreichen, was wir mit unseren menschlichen Sinnen zu erfassen vermögen.
    Eine der Mikrosonden gleitet über jenen Fleck, an dem Rence zu tief »geschnitten« hat. Es zeigt sich eine wenige Quadratmillimeter kleine Fläche, die von Staub bedeckt ist - und erahnen lässt, dass sich darunter eine Strahlungsquelle befindet.
    Mikru erscheint. Sie legt die Stirn in Falten. »Ich habe neue energetische Emissionen angemessen. Sie stammen von einem höherenergetischen Schutzschirm. Rences Geist ist offenbar damit in Berührung gekommen. Die Kugel im Gestein ist tatsächlich von einem Sextadimschleier umgeben. Er zeigt dieselben
    Werte wie jener, der bis vor Kurzem Far Away und das Stardust-System umgab. Die technischen Grundlagen sind exakt dieselben.«
    Perry und ich sehen uns an, nicken uns zu. Wir ahnen beide, was uns hier und jetzt erwartet. Mein Herz schlägt schneller. Viel zu schnell für meinen Geschmack. Doch es gibt keinen Zellaktivator mehr, der meine Aufregung dämpfen könnte.
    »Macht weiter!«, sage ich zu Rence und Tanio. »Arbeitet mit größtmöglicher Vorsicht. Mikru soll euch sagen, wie tief ihr gehen dürft, ohne nochmals mit der Hülle in Berührung zu kommen.«
    Rence nickt mir zu. Die zwischengeschalteten Schutzschirme erlöschen und gewähren den beiden Männern wieder vollständigen Zugriff auf das Objekt, das mit von ES zur Verfügung gestellter Technologie gesichert ist. Ich fürchte mich davor, die Kugel in Augenschein nehmen zu müssen. Und noch mehr fürchte ich mich vor dem, was sich in ihrem Inneren befinden könnte.
    *
    Es ist kurz nach 16 Uhr. Während Rence Ebion das Objekt zur Gänze freilegt, bekommen wir Besuch von Icho Tolot und seinen beiden Mitstreitern. Sie unterhalten sich über die geschlagene Schlacht.
    Ich habe irgendwann gelernt, Tolots bescheidenes Mienenspiel zu deuten. Er zeigt alle Anzeichen von Betroffenheit. Sosehr ihn das taktische Spiel in der Auseinandersetzung mit Jaranoc und Vatrox auch gepackt hat - er zeigt sich erschüttert über die Unnachgiebigkeit und Sturheit beider Seiten. Er hatte gehofft, die Angelegenheit mit möglichst wenigen Verlusten für die unerbittlichen Kämpfer von VATROX-VAMU und der
    Frequenz-Monarchie hinter sich bringen zu können.
    »Wie fühlst du dich, Tiffloros?«, fragt er mich und legt mir ganz sachte eine seiner Pranken auf die Schulter.
    »Beschissen«, antworte ich wahrheitsgemäß und bin froh, als er den gewiss einen Zentner schweren Arm wieder von mir nimmt. »Wie geht's deinem Zellaktivator?«
    »Er funktioniert. Wie eh und je.«
    Rence Ebion hat die Kugel nun fast ganz freigelegt. Er arbeitet sich eben mit der nötigen Vorsicht zu jenem Rest eines
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher