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2465 - Nach der Stasis

Titel: 2465 - Nach der Stasis
Autoren: Unbekannt
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Bord abgespielt?
    Selexon registrierte den beißenden, süßen Gestank, der sich langsam ausbreitete und intensiver wurde. Es roch nach Moder und Verwesung, und beides bereitete ihm Übelkeit. Seine rechte Hand fuhr hoch zur Kehle, einen Atemzug später presste er sie auf seine Nasenöffnung. Nichts wurde davon besser.
    Schier unüberschaubar reihten sich die Stasisliegen aneinander. Jede war dafür geschaffen, einen Tibirian Melech am Leben zu erhalten. Entsetzt registrierte Selexon die vielen regungslos daliegenden Körper, die ihm so unverändert steif erschienen wie noch vor wenigen Minuten, als er selbst erwacht war.
    Weit mehr als die Hälfte aller Schläfer lebten nicht mehr. Diese Körper verfielen zusehends, und der Gestank, den sie verbreiteten, wurde unerträglich.
    „Unternehmt doch etwas dagegen!", herrschte Selexon die Servos an. „Schafft die Leichen fort! Raus damit!"
    Der Gestank würgte ihn.
    Alle diese Tibirian Melech konnten nur während der Stasis gestorben sein.
    Die Konservierungsfelder hatten Tote erhalten, verwesende Hüllen, die nun schlagartig verfielen.
    Hatte es schwere Kämpfe gegeben, in die CHEOS-TAI verwickelt worden war?
    Dann waren möglicherweise Energieausfälle für den Tod so vieler Schläfer verantwortlich.
    Selexon fragte sich nicht, wann das geschehen sein mochte, sondern warum er zu jener Zeit nicht geweckt worden war. Welche Besatzung trug die Verantwortung für all das, und wohin mochte sie verschwunden sein?
    Das waren Fragen, auf die es keine Antwort gab. So weit reichte Selexons Erinnerung, dass ihm bewusst wurde, er würde von CHEOS-TAI direkt keine Informationen über die Vergangenheit erhalten. Aber diese Fragen lenkten ihn ab, während er zwischen den Liegen hindurchtaumelte.
    Andere Tibirian Melech erhoben sich. Überall registrierte er nun Bewegung; mehrere hundert waren wach. Selexon glaubte zu spüren, dass viele von ihnen den Tod dennoch in sich trugen. Er wich ihnen aus.
    Vor ihm zerfielen die Überreste eines Körpers. Einer der Überlebenden torkelte heran und wirbelte den Staub auf.
    Nicht einatmen!, dröhnte es durch Selexons Gedanken. Mit vor das Gesicht gepressten Händen torkelte er weiter.
    Aber schon nach wenigen hastigen, von Furcht getriebenen Schritten wurde der Drang einzuatmen unerträglich. Als er keuchend die Luft zwischen den Fingern hindurchsog, brannte der Moder ekelerregend auf seiner Zunge und in der Kehle. Selexon kippte einfach nach vorne, er stützte sich an der Liege ab und übergab sich.
    Winzige Schleimfetzen brachen würgend aus ihm hervor, doch er fühlte sich danach keinen Deut besser. Der Mann, der den Staub aufgewirbelt hatte, lag schlaff und eigenartig verdreht wenige Schritte neben ihm.
    Selexon schaffte es nicht, sich abzuwenden. Er wollte davonlaufen, aus dem Saal fliehen, in dem längst alles vom Tod infiziert war – er konnte es nicht.
    Voll Abscheu und Faszination zugleich starrte er den Sterbenden an, dessen aufgeblähten Schädel, den ein unbegreiflicher Vorgang auseinandertrieb.
    Was immer die Knochenstruktur zu diesem Riesenwuchs veranlasste, das Organband war bereits in unzählige Fetzen zerrissen. Selexon vermochte nicht zu erkennen, ob dieser geradezu explosive Wachstumsprozess nur noch totes Gewebe erfasste. Auch der Oberkörper des Tibirian Melech blähte sich nun auf; die Haut wurde spröde und rissig.
    Selexon hastete weiter. Einen Servo, der urplötzlich vor ihm stand und auf ihn einredete, stieß er schroff zur Seite.
    Erst kurz darauf wurde ihm bewusst, dass der Servo Hilfe angeboten hatte. Es war ihm egal, er hatte keine Unterstützung angefordert.
    Inkh Selexon hielt inne, um sich zu orientieren. Wenn er überleben wollte, musste er den Saal schnellstens verlassen. Versiegeln. Desinfizieren. Er wusste nur nicht, wie er das bewerkstelligen sollte, solange die Fremden die Lenkzentrale besetzt hielten.
    Weiter!
    Seine Aufmerksamkeit streifte eine der Liegen dicht vor ihm. Der Tibirian Melech, der dort die Ewigkeit überdauert hatte, war wach. Allerdings schien er sich noch nicht zurechtzufinden. Vielleicht war er als einer Letzten aufgewacht.
    Selexon kannte ihn.
     
    *
     
    „Kalitt Lindbak!", brachte Inkh Selexon stockend hervor. „Wie fühlst du dich?"
    Er stellte die Frage bewusst. Immerhin hatte die Mentale Revision ihm nicht alles genommen. Soweit es sein Wissen über die anderen Tibirian Melech betraf, schien seine Erinnerung heute genauso gut zu funktionieren wie vor einer Ewigkeit.
    Lindbak
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