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24 kurze Albträume (German Edition)

24 kurze Albträume (German Edition)

Titel: 24 kurze Albträume (German Edition)
Autoren: Regina Schleheck , Oliver Henzler , Michael Rapp , Bernhard Giersche
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Ab­scheu­lichs­te.
    Sie pack­te ihre Fol­ter­in­stru­men­te in den Kof­fer, den zer­stüm­mel­ten Kör­per und die Tüte mit den Klei­dern eben­falls und ver­schloss ihn sorg­fäl­tig. Dann hob sie den Kopf und sah mich an, ein freund­li­ches Lächeln auf den Lip­pen, das fast ein we­nig stolz war.
    Als die Mut­ter sie später ab­hol­te, wur­de ich ge­fragt, ob die Klei­ne denn schön mit ih­rer neu­en Pup­pe ge­spielt habe.
    »Ja«, sag­te ich, »sie ist eine rei­zen­de Pup­pen­mut­ter.«
     
    Der Kopf die­ser miss­han­del­ten Ba­by­pup­pe lag im­mer noch auf dem Bo­den, als ich zwei Tage später von ei­nem ehe­ma­li­gen Schul­ka­me­ra­den be­sucht wur­de. Er hat­te sich im Lau­fe der Zeit zu ei­nem kon­ser­va­ti­ven, an­ge­se­he­nen Ge­schäfts­mann ent­wickelt, so­viel zu sei­ner Be­schrei­bung. Je­den­falls bück­te er sich, kaum, dass er das Wohn­zim­mer be­tre­ten hat­te, und hob et­was auf. Er dreh­te den Pup­pen­kopf in den Hän­den, be­trach­te­te ihn ein­ge­hend und sag­te dann fas­sungs­los und mit hör­ba­rem Ent­set­zen: »Was ist denn das? Das ist ja ... scheuß­lich ... ab­sto­ßend ...«
    »Das ge­hört ei­nem Nach­bars­kind«, ant­wor­te­te ich so ru­hig wie mög­lich, be­müht, mir mein Er­schrecken nicht an­mer­ken zu las­sen, »ei­nem klei­nen Mäd­chen. Es kommt manch­mal her­über und spielt mit ih­ren Pup­pen.«
    »Emp­fin­dest du sol­che Spie­le«, an­ge­wi­dert leg­te er den Kopf auf ei­nem Tisch, »nicht als et­was ab­norm? Du soll­test das Kind dar­an hin­dern.«
    »Ach, weißt du, Kin­der«, sag­te ich und wech­sel­te has­tig das The­ma.
    Das war wie­der ei­ner die­ser Mo­men­te, in de­nen mich die­se Angst be­rührt hat­te. Aber ich glau­be, das Schreck­li­che an die­sem Pup­pen­kopf war für bei­de ver­schie­den ge­we­sen.
    Ich muss sa­gen, das klei­ne Mäd­chen hat­te mit dem Pup­pen­kopf ein wirk­li­ches Kunst­werk ge­schaf­fen. Sie hat­te schnell ge­lernt und konn­te mit den Werk­zeu­gen, die ich ihr ge­schenkt hat­te, gut um­ge­hen. Ich war nicht über die­se herr­li­che Ar­beit er­schrocken, son­dern über et­was ganz an­de­res.
    Eine Se­kun­de lang hat­te ich näm­lich, als ich den Kopf in sei­nen Hän­den ge­se­hen hat­te, be­fürch­tet, ich hät­te die Spu­ren von ges­tern Abend nicht ge­nü­gend be­sei­tigt, als ich mir eine Pup­pe ge­holt hat­te von ei­nem der näher ge­le­ge­nen Spiel­plät­ze, eine von de­nen, die schrei­en und sich weh­ren und die die ro­ten Flecken auf mei­nem Tep­pich ma­chen.
    Mei­ne wirk­li­che Angst aber ist im­mer, un­ter den vie­len Pup­pen könn­te auch eine sein, die ei­gent­lich eine lie­be Pup­pen­mut­ter ist, so wie mei­ne klei­ne Schü­le­rin aus dem Ne­ben­haus.
     

Anja Slauf
     
    Aus dem Schat­ten
     
    Mei­ne Schrit­te sind vor­sich­tig. Der Bo­den ist von trockenem Laub be­deckt und ich habe nicht vor, durch ver­räte­ri­sche Ge­räusche auf mich auf­merk­sam zu ma­chen. Lang­sam schlei­che ich näher.
    Da bist du. Deut­lich zu er­ken­nen trotz des spär­li­chen Lichts, das dich er­hellt. Du bist al­lei­ne. Ob­wohl du dich voll­kom­men un­be­ach­tet fühlst, ist jede dei­ner Be­we­gun­gen vol­ler Gra­zie. Dei­ne Lip­pen be­we­gen sich, höchst­wahr­schein­lich führst du mal wie­der Selbst­ge­spräche.
    Ich lächle und ma­che einen wei­te­ren Schritt auf dich zu. Im­mer wie­der wirfst du einen Blick auf die Uhr, dann wen­dest du dich der Stan­ge zu, die seit ei­ni­gen Mo­na­ten dein Wohn­zim­mer ziert. Für vie­le ist es eine Trend­sport­art, für an­de­re ein Weg, sich zu pro­fi­lie­ren. Für dich je­doch scheint es so viel mehr zu sein. Jede dei­ner Be­we­gun­gen wirkt per­fekt und es ist mir un­mög­lich, mei­ne Au­gen auch nur für Se­kun­den von dir ab­zu­wen­den.  
    Nur lei­se dringt die Mu­sik an mei­ne Oh­ren. Dein Lächeln wirkt ent­rückt, als wärst du in dei­ne ei­ge­ne Welt ab­ge­drif­tet, eine Welt, die an­de­re oft­mals als ein we­nig selt­sam emp­fin­den. Doch dich stört das nicht und mir ge­fällt die­se Selbst­ver­ständ­lich­keit, mit der du dei­ne klei­nen Ei­gen­ar­ten lebst.
    Wie­der ma­che ich einen Schritt näher. Mei­ne Fin­ger­spit­zen le­gen sich auf
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