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2339 - Ein halber Mensch

Titel: 2339 - Ein halber Mensch
Autoren: Unbekannt
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schwebte der Patient in einer variablen Öffnung im Innern der weitgehend transparenten Versorgungseinheit. Die nach außen projizierten Hologramme vermittelten zwar einen umfassenden Eindruck, aber nicht so ideal wie das mentale Abbild der Anatomar-Kappe.
    Die sehr niedrigen Vitalwerte erschreckten Enkaraqon. Eigentlich hatten mehrere Organe schon ihre Funktion eingestellt, und nur ein unglaublicher Wille hielt den Kommandanten am Leben.
    Blut sammelte sich im Brustraum. Mit allen Sinnen tauchte Enkaraqon in den Körper seines Patienten ein, er spürte dem kaum mehr wahrnehmbaren Puls nach und erkannte rasch den Aderriss.
    Keinesfalls stand die Blutung im Zusammenhang mit einem der halb ausgeschälten Tumoren. Die Operation an sich war perfekt, eine unbeschädigte Zellschicht hüllte jeden der entfernten Knoten ein. Atemstillstand.
    Imarit Enkaraqon nahm die Diagnose emotionslos hin. Seine Gedanken aktivierten Mikrosonden, die in den reglosen Körper eindrangen und Spannungsfelder aufbauten. Das Herz schlug wieder, wenngleich langsam und unregelmäßig.
    Der Anatom verlor sein Zeitgefühl. Allein mit der Kraft seines geübten Geistes nutzte er weitere Sonden, die ihm über die Rückkopplung mit der Kappe ein exaktes Bild der Operationsfelder vermittelten. Der genetische Alterungsprozess des Hoch-Medokogh war sehr viel weiter vorangeschritten, als es äußerlich den Anschein hatte. Der Kommandant von LUCRIFIR, erkannte sein Stellvertreter, hatte selbst unter günstigsten Prognosen nur mehr wenige Bordmonate zu leben; die unkontrollierten Zellwucherungen, deren Wachstum schon bei der Geburt einsetzte und stetig therapiert werden musste, verwandelten den Körper in ein Schlachtfeld.
    Dennoch brachte Imarit Enkaraqon das zu Ende, was sein Vorgesetzter selbst begonnen hatte. Als er die letzte Kanüle durch das passgenau ausgefräste Loch im Lamellenpanzer zurückzog, waren mehr als vier Stunden vergangen. Und der Hoch-Medokogh war weiterhin nicht ansprechbar, die Nachricht von TRAICOON 0099 mochte noch so brisant sein.
    Imarit Enkaraqon wollte gerade die Kappe abstreifen, als der Kreislauf des Kommandanten wieder zusammenbrach.
     
    *
     
    Starke Blutungen im Bauchraum ... Der Kolonnen-Anatom benötigte nur Augenblicke, um die Ursache zu lokalisieren, aber währenddessen perforierte die Hauptschlagader weiter. Der Hoch-Medokogh verblutete innerhalb weniger Atemzüge.
    Enkaraqon zögerte kurz, dann griff er nach der Kappe und legte sie achtlos zur Seite.
    Sein Körperpanzer knackte, als er sich erhob und die Glieder streckte. Er warf einen forschenden Blick in das Zentrum des Saales. Der Tote schwebte weiterhin in dem Antischwerefeld; er schien zu schlafen, wären da nicht die dünnen Blutfäden gewesen, die aus seinen Mundwinkeln sickerten.
    Was Enkaraqon sah, war eine ausgezehrte, verbrauchte Gestalt, nur mehr ein Abklatsch des bis vor wenigen Tagen vitalen Kommandanten. Der Leichnam, erkannte er, ,würde zu nichts mehr nütze sein.
    Den Tod des Vorgesetzten akzeptierte er ohne Emotionen. Von der Zeugung an war jedes genetische Programm auf den Tod ausgerichtet. Wer seine Sinne beisammenhatte, wusste, dass irgendwann alles zu Ende sein würde. Nur medizinische Großtaten überdauerten die Zeit, alles andere geriet in Vergessenheit.
    Imarit Enkaraqon wurde bewusst, dass er unnötig viel Zeit verloren hatte.
    Er verließ den Operationsbereich und schwebte im Antigravhub bis auf die Hauptebene. Die nächste Lesemulde für Datenkristalle befand sich in einer der Sektorenkontrollen. Er, der Kolonnen-Anatom Imarit Enkaraqon, war kraft seines Ranges ab sofort der neue Hoch-Medokogh der LUCRIFIR. In dieser Eigenschaft hatte er sich unverzüglich um die Nachricht von TRAICOON 0099 zu kümmern.
    Imarit Enkaraqon stürmte in das Bio-Labor. Mehrere deformierte Gestalten scheuchte er unwillig zur Seite, ebenso die ihm im Weg stehenden Anatomen. „Die Lesemulde aktivieren!"
    In der Projektion entstand erneut das Signet des Kolonnen-Forts, dazu der Hinweis auf den Empfänger. „Der Hoch-Medokogh ...", widersprach einer der Anatomen. „Ich bin der neue Hoch-Medokogh!", sagte Enkaraqon schrill. „Und jetzt lasst mich allein! Geht! Alle!"
    Die Männer gehorchten, ohne nachzufragen. Enkaraqon bebte, als er die Aufzeichnung abrief - und hielt den Atem an, als das lebensgroße Abbild entstand: der Duale Kapitän, der Führer des Feldzugs in dieser Galaxis.
    Ehrfürchtig blickte Enkaraqon in die Höhe.
    Beide Köpfe, der Mor'Daer und der
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