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233 - Enklave der Träumer

233 - Enklave der Träumer

Titel: 233 - Enklave der Träumer
Autoren: Michelle Stern
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gebannt auf seinen Händen. »Darf ich auch mal?«
    »Einfach nur die Hand dahin legen.« Matt zog seine Hand gönnerhaft fort und legte die Naos auf die Konsole. Die Qualle bewegte sich gleichmäßig vorwärts.
    »Das ist so… groß…«, stieß Nao hervor. »Ich meine… unsere Tekknik… Ich habe so lange gebraucht, das große Geweer auf das U-Boot zu bauen und es beim Tauchen zu schützen… aber das hier…« Er zog seine Hand ehrfürchtig zurück und berührte stattdessen das bionetische Material. »Als ob es lebt! Wie Kaaguja, das Seewesen…«
    Er monologisierte noch eine Weile in seiner Begeisterung weiter, während Aruula die Unterwasserwelt bestaunte und Matt in seine eigenen Gedanken versank. Weihnachten… Es war tatsächlich Weihnachten…
    ***
    Australien, Südwestküste, zwei Tage zuvor
    Das Boot tauchte im ersten Licht aus den Schatten der Felsen auf. Ein breiter Uferstreifen wurde sichtbar. Herak hatte sich mit dem Boot dicht an das Land geschmiegt und fand nun den Platz, von dem man ihm in einer Siedlung an der Küste berichtet hatte.
    Death Mouth nannten sie den Ort, und er wurde von ihnen seit Monaten gemieden.
    Vor Herak tauchten hölzerne Poller aus den Dunstschleiern auf. Sie hielten eine breite Plattform. Erste Sonnenstrahlen fielen auf Holz, das feucht schimmerte. Doch es war weder der Morgendunst noch das Meerwasser, das die Spitzen der Pfosten schimmern ließ. Herak kannte diese Farbe. Blut! Aber keines von Tieren. Es war das Blut von Menschenopfern. Das war im Zusammenhang mit dem schmückenden Beiwerk nur zu offensichtlich.
    »Piama sei mit mir«, murmelte Herak, als er die Kette von Totenköpfen genauer in Augenschein nahm, die den blutbesudelten Steg und die breite Plattform einrahmte, als wolle sie das Holz zieren. Ja, das war der Ort, den er suchte.
    Obwohl er noch immer hoffte, sich zu irren, wurde die Annahme mehr und mehr zur Gewissheit: Seine Leuten waren nicht verrückt. Gabri und Doran waren besessen. Es gab die böse Macht, die sie zu sich rief und die ihnen qualvolle Albträume schickte.
    Er formte mit der Hand ein Schutzzeichen gegen böse Geister und legte an dem blutbedeckten Steg an. Behutsam verstaute er die Paddel. Wenn er sich beeilte, konnte er einen kurzen Erkundungsgang machen, noch ehe die Sonne ganz aufging. Er trug das Schwert an seiner Seite, das seine Tochter Airin ihm geschenkt hatte. Auf eine ihrer Schusswaffen hatte er verzichtet. Wilde Entschlossenheit durchflutete ihn, als er auf den feuchten Steg sprang.
    Ich finde den Dämon. Ich töte ihn.
    Steile weiße Sandhügel brandeten gegen eine dichte Böschung. Hinter ihr lag ein urwüchsiger Wald, wilder und fremder als Herak ihn vom Paak her kannte. Neben vertrauten Eukalyptusbäumen wuchsen unzählige Farne und Sträucher, die er noch nie gesehen hatte. An einigen Stellen war das Dickicht undurchdringlich. Immergrüne Bäume waren mit weißen und roten Blütendolden beschwert. Die ledrigen, sichelförmigen Blätter der Eukalyptusbäume versperrten die Sicht auf das Land.
    Der Anführer der Adors pirschte auf die Büsche zu. Er entdeckte nördlich mehrere Rauchsäulen, die zwischen den Baumkronen in den Himmel stiegen – Lagerfeuer! Außer den Lauten der Tiere hörte er nichts. Die Vögel erwachten gerade und besangen den Tag, ungeachtet des Blutes, das an diesem Ort floss.
    Herak entschloss sich, einen raschen Blick auf das Lager zu werfen. Er wollte eben in die dichten Büsche vordringen und sich seinen Weg hindurch suchen, als flammender Schmerz seine Welt in rotes Licht tauchte. Sein Hinterkopf explodierte vor Schmerz. Er stürzte mit einem Ächzen auf die Seite, versuchte sich herumzurollen und sah einen großen, breitschultrigen Mann mit einer Schleuder in der Hand. Auf seinem braungebrannten groben Gesicht lag ein zufriedenes Grinsen. Fremde Symbole aus schwarzbrauner Farbe bedeckten es wie das Netz einer Spinne.
    Das Bild verschwamm vor Heraks Augen. Seine Hand legte sich in einem letzten verzweifelten Versuch auf den Schwertknauf – und öffnete sich kraftlos. Das Letzte, woran er dachte, waren die aufgereihten Schädel am blutdurchtränkten Steg. Mein Kopf wird sich sicher gut dort machen…
    ***
    Australien, Westküste, 24. Dezember 2524
    Matt steuerte die Qualle durch die Schleuse in das Becken der Station. Airin folgte kurz darauf mit dem U-Boot.
    Neugierig sah Matt sich in der Stejchon um. Vieles war renoviert, und über ihnen an der niedrigen Decke leuchteten lange Lichtröhren. Menschen
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