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2293 - Ein Held für alle Fälle

Titel: 2293 - Ein Held für alle Fälle
Autoren: Unbekannt
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wirkten die Gesichter der Männer und Frauen wächsern. Sie waren ausdruckslos, wie die von Marionetten, dachte Jack. Aber er hätte gewettet, dass fast jeder von ihnen mit dem gleichen Abscheu hierher gekommen war wie er.
    Er sah Brad an. Brad Hinx steckte das alles vielleicht viel besser weg. Sein Freund besaß das, was man eine „dicke Haut" nannte. Er war eine Roboternatur, das genaue Gegenteil von ihm. Und so sah er auch aus: bullig, feist, grobschlächtig. Auf den ersten Blick ein Mann, den nichts aus der Ruhe zu bringen vermochte.
    Jack kannte ihn besser. Aber trotzdem beneidete er ihn manchmal. Wenn Brad nicht wollte, ließ er so schnell nichts an sich herankommen. Er hatte sich einen Panzer zugelegt. Jack kam sich neben ihm regelrecht nackt vor. „Wir sind nahe genug", flüsterte er. „Oder willst du in der ersten Reihe stehen?"
    „Ich kann mich beherrschen, Kamerad."
    „Hör damit auf", knurrte Jack. „Womit?"
    „Mit dem Kameraden. Es geht einem auf die Nerven."
    „Klar doch, Genosse."
    Jack Reuter schloss die Augen und atmete tief durch. Er versuchte, seinen hämmernden Puls zu ignorieren. Er durfte sich nicht alles so zu Herzen nehmen, das wusste er auch. Irgendwann würde es einen Rums geben, einen kurzen Stich in der Brust, und dann hatte er die Bescherung.
    Als er sie wieder öffnete, hatte sich nichts verändert. Gut dreißig Meter vor ihm befand sich das Podium mit den Delinquenten und ihren Henkern darauf, und die Menschen drängten sich noch immer enger zusammen. Ob es wirklich welche unter ihnen gab, die gern hier waren? Wegen der Schau? Um zu sehen, wie ihre Brüder und Schwestern, ihre Kollegen und Nachbarn gekillt wurden? Erschössen ohne Gerichtsverhandlung, nur weil sie aufbegehrt hatten?
    Er konnte es sich nicht vorstellen. Sie waren genauso gezwungen worden wie er. Niemand konnte so abgestumpft sein, sich so etwas freiwillig anzutun. Es sei denn, er war nicht mehr er selbst, sondern gehörte zu ihnen, den verdammten Jüngern des verdammten Gotts.
    Gezwungen wie er - und wie Mardi Dice.
    Unwillkürlich reckte er den Kopf und suchte nach ihr. Sie musste da sein.
    Die ganze Werft war wahrscheinlich hier versammelt. Ganz Luna Town IV Und in den anderen Siedlungen war es jetzt ganz genauso. Überall fanden Hinrichtungen statt, Schauprozesse ohne Prozess und ohne Urteil. Es fehlte nur noch das Johlen des Mobs wie vor der Guillotine, als die Köpfe von König und Hof gerollt waren.
    Jack hoffte, dass die Menschen den neuen Herrschern diesen Gefallen nicht tun würden. Dies war nicht das 18. Jahrhundert alter Zeit, und es war auch keine Revolution, die für Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit stritt und mit Adel und Kirche gebrochen hatte. Es war das Jahr 1333 NGZ„und die Kirche eines perversen, selbst ernannten Gottes opferte Menschenleben auf dem Altar ihrer Allmachtsphantasien.
    Und doch - wo lag der Unterschied?
    Menschen starben durch die Willkür anderer. In solchen Momenten wurden Motive und Hintergründe nebensächlich.
    Jack wurde angerempelt und gestoßen. Er stieß zurück und musste sich beherrschen, um nicht einfach um sich zu schlagen. Von wegen durchstehen! Er wusste nicht, wie lange er das hier aushielt, diese Farce!
    Sein Herz raste, und er schwitzte. Er hatte schon Hinrichtungen gesehen - im Trivideo. Aber das war etwas anderes. Dieses Mal sah er keine Bilder von Terra. Diesmal geschah es hier, und er war unmittelbar dabei!
    Er spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. Er hatte das Gefühl, hier ersticken zu müssen, zerdrückt von den vielen Menschen. Es waren Hunderte - nein, mehr als tausend!
    Jacks einziger Wunsch war, fortzurennen, so schnell er konnte und so weit er konnte. Nichts damit zu tun haben! Aber das ging nicht. Er war von hinten und vorne, links und rechts eingekeilt. Wenn er sich jetzt übergeben musste ... „Reiß dich zusammen, Kumpel", zischte Brad ihm zu. „Es geht schon los.
    Ein paar Minuten, und wir haben es überstanden."
    Wir!, dachte Jack bitter. Du hast ja deine dicke Haut. Du fällst ja nicht um.
    Aber mich kannst du gleich zur Einäscherung tragen.
    Er wollte nach Mardi schreien. Sie war doch da? Ob es ihr ähnlich ging wie ihm? Sie hatten nicht mehr viel miteinander gesprochen, nachdem sie die Werft verlassen hatten. Der Gedanke, dass sie von ihm enttäuscht sein könnte, brachte ihn fast um. Es kam noch hinzu. Zu der Angst. Zu dem unbeschreiblichen Ekel, den er empfand. „Ruhig, Kumpel", flüsterte Brad in sein Ohr. „Lass dir
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