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224 - Im Turm des Warlords

224 - Im Turm des Warlords

Titel: 224 - Im Turm des Warlords
Autoren: Ronald M. Hahn
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der Komoren betrieb, keineswegs ein seriöser Beamter, sondern »eine Kakerlake mit miesem Charakter«, Originalzitat Salayana.
    Nachdem wir uns bei ihr bedankt hatten, winkte sie uns noch einmal zu und huschte um die nächste Ecke.
    Wir drückten uns in den Eingang einer Hausruine und behielten die mit Gittern und Schlagläden verrammelten Fenster von Sacripants Residenz im Auge. Da wir beide der Meinung waren, dass Menschenhändler freiwillig keine Auskünfte über ihre Opfer erteilten, nahmen wir uns vor, dem Herrn unangemeldet einen Besuch abzustatten.
    Wir überquerten die stille Straße.
    Niemand hinderte uns daran, durch eine Toreinfahrt hinter das Haus zu gehen. Dort kamen wir in einen Hof, der mich an die Hinterhöfe der Bronx erinnerte. Wenn die Leute hier vom Schrottsammeln lebten, hätten sie gut daran getan, zwischen den Altmetallbergen Trampelpfade anzulegen: Wir brauchten eine halbe Stunde, um lautlos eine Strecke von zwanzig Metern hinter uns zu bringen und uns mit dem alten Räuberleiter-Trick auf einen Balkon zu ziehen, dessen fünf Jahrhunderte altes Geländer mörderisch knirschte. Yann knackte das Schloss der Balkontür im Nu. Ehe ich mich versah, folgte ich ihm durch stockfinstere Räume und Korridore.
    Dass Yann nirgendwo anstieß, lag daran, dass er die Energieströme aller lebenden Wesen wahrnehmen konnte, selbst die von Ungeziefer. Ihr »Licht« ließ ihn auch im Finsteren sehen. Laut Yann hinterließ jeder sich bewegende organische Körper Energiespuren, die er – bei großen Exemplaren – auch Stunden nach ihrer Entstehung noch erkennen und unterscheiden konnte.
    So wussten wir bereits, bevor wir die Stimmen der Hausbewohner hörten, dass momentan zwölf Personen in diesem Gemäuer lebten, darunter vermutlich acht weibliche. Zu meiner Zeit hätte man Yann vermutlich in einem Atemzug mit Sherlock Holmes genannt.
    Leider konnte Yann aber nicht die Ausstrahlung morscher Dielen erkennen. Ich hörte nur ein grausig klingendes Schmatzen, und dann einen gedämpften Fluch. Ein plötzlicher Luftzug verriet mir, dass ich allein in dem dunklen Gang war. Dann knirschte es fürchterlich unter mir.
    Ich drückte mich an die Wand. Im gleichen Augenblick drang vor mir Helligkeit aus dem Boden. Ich hörte ein Poltern und Krachen. Als ich mich vorbeugte, sah ich durch ein klaffendes Loch Yann Haggard und einen anderen Mann, die sich eine Etage tiefer vor den gelbroten Flammen eines Kamins gegenseitig würgten.
    Ein zweiter Mann lag mit grotesk verdrehten Gliedmaßen zwischen roten Plüschmöbeln auf dem Boden und wirkte ziemlich tot. Da sein Hals eine anatomisch unmögliche Stellung aufwies, nahm ich an, dass Yann auf ihn gefallen war und ihm das Genick gebrochen hatte.
    Dass der Mann, mit dem er rang, nicht gut auf ihn zu sprechen war, verstand ich gut. Dass er jedoch ein Messer aus einer Gürtelscheide zog, gefiel mir so wenig, dass ich meine Kanone zog und vor ihm auf den Boden schoss.
    Das splitternde Dielenholz und der Knall ließen den Mann zusammenzucken und zurücktreten. Er erkannte sofort, woher der Angriff kam, denn er schaute zu mir auf. Sein Gesicht war stoppelbärtig, breitflächig und verschwitzt; dunkles Haar klebte an seiner Stirn.
    Ohne die tückisch blickenden Augen und den von zu viel Weingenuss kündenden Wanst hätte er vielleicht gut ausgesehen, doch so wirkte er tatsächlich wie die Kakerlake, die Salayana beschrieben hatte.
    Er hielt uns fraglos für Einbrecher, die sich an dem Tand bereichern wollten, den er im Laufe seines Lebens zusammengerafft hatte. Doch war er intelligent genug, um einzusehen, dass er nichts hatte, was gegen meine Waffe bestehen konnte. Angesichts dieser Erkenntnis fuhr er wie der Blitz herum, drosch Yann eine Faust in den Magen, schrie um Hilfe und entschwand aus meinem Blickfeld.
    Yann klappte zusammen. Ich sprang durch das Loch im Korridorboden zweieinhalb Meter in die Tiefe, wobei es mir ganz knapp gelang, nicht auf dem Toten zu landen.
    Als ich mich umschaute, kam Yann gerade stöhnend auf die Beine.
    »Wo ist er?«, fragte ich. Der Mann war weg.
    Yann lallte etwas und gestikulierte fahrig. Ich vermutete, dass er im entscheidenden Moment die Augen geschlossen hatte.
    »Komm mit«, sagte ich. Er schloss sich mir an. Drei Türen führten aus dem Raum. Eine endete in der Abstellkammer, die zweite in einem Schlafraum. Die dritte mündete in einen von Kerzen erhellten Korridor mit Türen, der an einem Treppenhaus endete. Da es dumm war, auf den Dachboden zu
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