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2156 - Stimme des Propheten

Titel: 2156 - Stimme des Propheten
Autoren: Unbekannt
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Entsetzens erstarrt. Die rechte Hand war ausgestreckt, die vier Finger gekrümmt, als hätte er nach einem Halt gesucht.
    Siorel Hani zog die Decke über ihn und bedeckte sein Gesicht. Dann stand sie auf und ging in den Wohnraum. Während sie jemanden anrief, sah sie auf dem stumm geschalteten Trivid, dass das Morgengebet gerade begann. Ein vertrautes Gesicht erschien auf dem Schirm. „Ich versäume das Morgengebet, Schwester."
    „Ich weiß, Bruder", sagte Siorel Hani, „aber es ist wichtig. Unser Bruder ist tot, Viorel Zagi. Er ist heute Nacht im Schlaf gestorben. Er muss etwas Entsetzliches geträumt haben. Ich habe Angst, Bruder, und erbitte deinen Beistand."
    Alfar Lokk erinnerte sich an die Zeit kurz vor der großen Veränderung. Er war damals nach Moond gekommen, um sich als Handwerker eine Existenz aufzubauen. Die Stadt war im Wachsen begriffen, und geschickte Hände wurden ständig gebraucht. Alfar Lokk kannte sich mit Elektrizität und der Technik der Moond-Bahn aus, dafür hatte er sich schon immer interessiert. Man hatte auch gleich einen Posten für ihn, und nach kurzer Zeit der Einarbeitung konnte er sein Talent zur Entfaltung bringen. Es war eine gute Zeit gewesen. Er lernte eine Herreach kennen, die seine Sympathie erwiderte, und sie planten, eine Familie zu gründen. Doch dann war die Welt auf den Kopf gestellt worden, plötzlich gab es Tag und Nacht, und Moond wurde zu zwei Dritteln von verheerenden Unwettern und Erdbeben zerstört. Viele Herreach verloren dabei ihr Leben. Auch Alfar Lokks künftige Gefährtin.
    Alfar Lokk beteiligte sich mit allen Kräften am Wiederaufbau. Nebenbei lernte er viel über die neue Technik der Terraner und erkannte, dass sein Talent weiterhin gefragt sein würde. Das half ihm, sich schnell den neuen Verhältnissen anzupassen. Alfar Lokk machte das Beste aus seiner Situation und war über Jahrzehnte zufrieden. Doch in letzter Zeit fing er an, von der Vergangenheit zu träumen. Es war alles so deutlich, als würde er es noch einmal durchleben, vor allem aber beunruhigend. Nur ein Gefühl, für das er keine Erklärung hatte, aber mit der Zeit belastete es ihn. Alfar Lokk wunderte sich darüber. Er versuchte, sein Gleichgewicht in der wöchentlichen Gebetstrance wieder zu finden. Doch die Harmonie der gemeinsamen Runden war ebenfalls gestört. Es konnte vorkommen, dass der eine oder andere plötzlich den Kreis verließ, mancher sogar vor Angst schreiend. Andere waren nur mehr mit Mühe wach zu bekommen. „Was geschieht mit uns?", fragte Alfar Lokk einen Mahner nach einer Gebetsrunde. „Ich vermisse einige Teilnehmer der letzten Runde. Sind sie krank?"
    „Nein", antwortete der Mahner. „Sie sind gestorben." Daraufhin blieb Alfar Lokk den nächsten beiden Runden fern. Ich werde meinen Glauben ablegen, dachte er. Ich werde die Gebetsrunden nicht mehr zur Verinnerlichung brauchen. Ich konzentriere mich nur noch auf die Arbeit. Der Glaube wurde in diesen Tagen anders definiert. Kummerog war für immer fort, und es gab eigentlich keinen Grund, weiter an ihn zu glauben. Doch es stand fest, dass er existiert hatte und er der Schöpfer der Herreach war. Kummerog konnte ihnen zwar nicht unmittelbare Unterstützung zuteil werden lassen, aber die Gebetsrunden hatten eine so lange Tradition, dass sie nicht einfach aufgegeben werden konnten. Zudem verhalfen sie den Herreach zur Ausgeglichenheit, sie fühlten sich einander verbunden und wussten, dass sie die ungewisse Zukunft gemeinsam meistern würden.
    Die Terraner hatten es wohl gemeint und jede Menge technische Unterstützung angeboten, über den „Pachtzins" hinaus. Aber Presto Go hatte dies abgelehnt; sie fand es für verfrüht, übergangslos auf einen so hohen Standard zu springen, den die Herreach noch nicht verkraften konnten. Sie nahmen lediglich die Hilfsmittel an, die das Überleben auf diesem unwirtlichen Planeten garantierten - die Kommunikationswege wurden kurz gehalten, und über das Trivid wurde jeder gleichermaßen informiert. Auf dem Land waren in jeder Siedlung Schulen eingerichtet worden, wo die Herrachischen Freiatmer im Auftrag des Cleros tätig waren. Die Konkurrenz der beiden Glaubensgemeinschaften war beendet, man arbeitete mit- und nicht gegeneinander.
    Jeder junge Herreach erhielt einen gut fundierten Unterricht und lernte Interkosmo. Die gängige Sprache war jetzt das Neu-Herrod, mit vielen Interkosmo-Fremdwörtern, für die es keine herrachischen Äquivalente gab, aber natürlich unterhielt man sich
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