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2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)

Titel: 2012 - Tag der Prophezeiung: Roman (German Edition)
Autoren: Brian D'Amato
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aus, aber ich hörte es trotzdem. »Die analoge Version.«
    »Mit ›analog‹ meinst du echt, oder?«, fragte ich.
    »Oh. Ja, real life, in vollem Maßstab, bewohnbar und alles. Ich bin die Erste, die eine Stadt dieser Ausdehnung allein entwirft, seit Peter dem Großen oder so.«
    »Cool«, sagte ich undeutlich. Marena sprach manchmal superschnell, wie in einer Radiosendung aus den Vierzigerjahren, und es konnte schon mal eine Sekunde dauern, bis man verdaut hatte, was sie von sich gab. Aber das mochte ich an ihr. Wenn man heutzutage einen Kurs in Business-Präsentation belegt, erzählen sie einem immer, man soll so langsam reden wie Faultierscheiße – nicht nur, damit die Beschränkten einem folgen können, sondern auch, weil sie Studien gemacht haben, denen zufolge die Leute die exakt gleiche Ansprache für gewichtiger halten, wenn sie zwei Minuten dauert und nicht nur eine. Andererseits, wenn Sie je in einer … sagen wir, in einer Software-Entwickler-Konferenz gewesen sind, an der mehr als drei Personen teilgenommen haben, dann haben Sie vielleicht beobachtet, dass immer ein paar Leute dabei sind, die das Problem sofort erfassen. Sie finden zusammen eine Lösung, indem sie sich sehr schnell unterhalten und diesen ganzen Jargon verwenden, und wenn sie das Problem gelöst haben, machen sie Pause, und einer von ihnen erklärtden kleineren Geistern die Lösung. Marena gehörte zu diesen zwei oder drei Personen. Es ist wie, wow, Hirn an Bord.
    »Guck dir das an«, forderte sie mich auf. Sie zog mich um den Schreibtisch zu zwei niedrigen Beistelltischen. Auf einem stand eine kleine Gruppe Puppen aus PVC  – man muss sie heute wohl Actionfiguren nennen. Aus der Nähe sah ich, dass sie mythische Charaktere der Maya im Barbie-Maßstab waren, alle in einer Art urbanem Jesse-Hernandez-Oce¯lo¯meh-Stil. Mit erhöhten Goldbuchstaben stand der Name jeder Figur auf dem Kunststoffsockel. Aber auch ohne diese Etiketten wäre »Jun Raqan«, also Hurrikan, leicht an seinem einen Bein zu erkennen gewesen, und es war auch nicht besonders schwer, »1-Ozelot«, »1-Türkiser-Ozelot«, »Mam« (der über der klassischen Maya-Tracht einen Hut im Stil des 19. Jahrhunderts und eine Krawatte trug, weil er selbst heute noch hin und wieder unter dem Namen Maximón auftauchte), »Wasserlilien-Jaguar«, »Ix-Chel« und »Sternenrassler« zu identifizieren, der eine lange federbesetzte Schlange mit Glotzaugen und jeder Menge Tausendfüßerbeinchen war. Dazu kam ein Quartett von buckligen Zwergen in verschiedenen Farben, die sie »Nordost-Chak«, »Nordwest-Chak«, »Südwest-Chak« und »Südost-Chak« genannt hatten, sowie eine ganze Gang trendig-gruseliger Typen, die neun Herren von Xib’alb’a, der Unterwelt der Maya. Der Größte, der Anführer, hatte seinen Namen »4-Jaguar-Nacht« behalten dürfen, aber seine acht Gefolgsleute hatte Warren Entertainment umgetauft. Ihre Namen begannen alle mit S: Scab, Skitters, Spine (ein mastiffgroßes Kaninchen mit Reißzähnen), Scald, Snatchbat, Scurf (ein großer körperloser Kopf), Sarcoma und Serpigo, der – für mich wenigstens – mehr nach Cthulhu-Mythos als Maya aussah, aber was wusste ich schon? In Wirklichkeit hießen sie Krätze, Schrumpel, Rochenstachel, Blutige-Klauen, Blutige-Zähne, Fistel, Pustel, Eiterbeule und Reißzahn-Kaninchen.
    »Nicht die, das hier«, sagte Marena. Sie schob sich hinter den anderen Tisch. Er war mit etwas bedeckt, das wie ein Stapel aus Aerogel-Bausteinen aussah. Sie nahm eine Fernbedienung und drückte einen Knopf. Die Bausteine füllten sich mit Licht und Schatten.
    Wow, sagte ich, oder versuchte es zumindest. Wie auch immer,ich habe die Anführungszeichen weggelassen, weil ich stark annehme, dass der Laut nicht ganz aus meiner Kehle herausfand.
    Ich sah das Architektenmodell einer futuristischen mayaesken Stadt vor mir, mit Pyramiden, Plätzen, Palästen, Türmen, Bastionen, Vorwerken, Brüstungen, Gittern, Verliesen, Sturzsteinen, Lichtgaden, Labyrinthen, Minatouretten und Zickzackurrats, alles in Spätnachmittagslicht getaucht und von der unmenschlichen Klarheit einer … sagen wir, einer Daguerreotypie oder, um blumig zu werden, von etwas, das von einem Heer kleiner, an der École Hôtelière Gastronomique ausgebildeter Elfen aus Zucker gesponnen worden war. Der Tisch maß nur etwas über einen Meter im Geviert, und das Modell nahm nicht einmal die ganze Fläche in Anspruch, aber jeder gehauene Stein, jede Lackfliese und jedes elektroverkupferte
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