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2012 – Das Ende aller Zeiten

2012 – Das Ende aller Zeiten

Titel: 2012 – Das Ende aller Zeiten
Autoren: Brian D’Amato
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in El Salvador, aber das North-Kartell, der Bush-Klüngel und die Rios-Montt-Gruppe – Montt war zu der Zeit der Marionettenpräsident von Guatemala – steckten Millionen in die eigene Tasche. Ich vermute, dass Onkel Xac hoffte, irgendwann mit der Liste an die Öffentlichkeit zu gehen, entweder um ein wenig Aufmerksamkeit auf die von allen verhassten Sorreanos zu lenken oder um die Generäle vor der nächsten Präsidentschaftswahl zu diskreditieren. Wie naiv der Bursche doch war!
    Am 1. Weihnachtstag 1982 bekam ich eine Lungenentzündung, auf die Blutverlust folgte, und meine Eltern brachten mich in das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern in San Cristóbal. Angeblich habe ich wirres Zeug geredet und um mich geschlagen. Eine der jüngeren Nonnen, Sor Elena, kümmerte sich um mich und fragte jedes Mal, wie es mir gehe. Ich fand sie ganz toll. Ich bin mir sicher, dass ich seither jeden Tag an sie gedacht habe, manchmal sogar jede Stunde, zumindest, wenn ich mich nicht in einem meiner Fugue-Zustände befinde. Todo por mi culpa , alles meine Schuld.
    Vier Tage nachdem ich dorthin gekommen war, an la fiesta de la Sagrada Familia , dem 29. Dezember 1982, sagte Sor Elena zu mir, dass Regierungstruppen T’ozal umzingelt hatten und die Cofradias,das heißt »Cargo-Träger« oder »Beauftragte«, die eine Art Ältestenrat des Dorfes bilden, verhören würden. Später erfuhr ich mehr. Es war Markttag gewesen, und fast jeder war ins Dorf gekommen. Ein weiß-blauer Iroquois-Hubschrauber mit Lautsprechern tauchte auf und kreiste wie ein großer Eisvogel immer wieder über dem Dorf. Allen wurde befohlen, sich zu einer Bürgerversammlung auf den Dorfplatz zu begeben, wo die Dienstpläne für die Zivilpatrouillen des nächsten Jahres ausgegeben werden sollten. In der Zwischenzeit waren die Soldaten auf zwei kaum benutzten unbefestigten Straßen angerückt. Meinem Freund José Xiloch zufolge – »No Way«, wie wir ihn nannten –, der das Geschehen aus der Entfernung beobachtete, versuchte kaum jemand zu fliehen oder sich zu verstecken. Die meisten Soldaten waren Halbmaya-Rekruten aus Suchitepéquez, aber mit ihnen kamen zwei große Männer mit rotblondem Haar und in Stiefeln des US -Marinecorps, und den ganzen Trupp befehligte, was ungewöhnlich war, ein Major, ein gewisser Antonio García-Torres.
    Auf dem Platz wurden an diesem Tag nur zwei Menschen erschossen. Meine Eltern und sechs ihrer Freunde lud man in einen Lkw und brachte sie zu einem Heeresstützpunkt bei Cobán. Am Abend brannten die Soldaten das Gemeindezentrum nieder, in dem sich noch elf widerständige Bürger befanden, was zur damaligen Zeit die Terrortaktik der Wahl darstellte. Außerdem war es das letzte Mal, dass jemand, von dem ich weiß, einen meiner Brüder gesehen hat. Viel später fand ich heraus, dass meine Schwester sich zu einer mexikanischen Flüchtlingssiedlung durchgeschlagen hatte. Die Truppen zwangen die Bürger zwei Tage lang, das Dorf einzuebnen, dann wurden auch sie zur Umsiedlung auf Lkws verladen.
    T’ozal ist eines von vierhundertvierzig Dörfern, die die guatemaltekische Regierung heute offiziell als vernichtet führt. Die letzte Zählung listet achtunddreißig Menschen als tot und sechsundzwanzig als vermisst auf. Für mich steht zu neunzig Prozent fest, dass meine Eltern einer Folter unterzogen wurden, die man submarino nennt, das fortwährende Untertauchen des Kopfes in Wasser bis kurz vor dem Ersticken, und dass sie wahrscheinlich in diesen hohen Röhren festgehalten wurden, in denen man absolut nichts tun kann (todo por mi culpa), außer zum Himmel aufzublicken. Ein Zeuge sagte aus, sie hätten versucht, meinen Vater zum Reden zu bringen, indem sie ihm einen mit Insektiziden getränkten Sack über den Kopf zogen. Meine Mutter wurde angeblich, wie die meisten Frauen, gezwungen, Benzin zu trinken. Ob sie daran gestorben sind und ob es überhaupt stimmt, weiß ich bis heute nicht. Ihre Leichen wurden wahrscheinlich in eines der acht bekannten Massengräber in Alta Verapaz geworfen, aber bislang hat das Zentrum für Dokumentation und Untersuchung von Maya-Fragen noch keine Übereinstimmung zwischen meiner DNS und einem der Leichenfunde feststellen können.
    Idiotischerweise brauchte ich Jahre, bis ich mich fragte, ob meine Eltern mich vielleicht weggegeben hatten, weil sie ahnten, dass Ärger bevorstand. Vielleicht war es auch nur die Idee meiner Mutter gewesen. Sie hatte schon früher das Spiel eingesetzt, um herauszufinden, ob von
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