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201 - Die Rachegöttin

201 - Die Rachegöttin

Titel: 201 - Die Rachegöttin
Autoren: Michelle Stern
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bis in ihre Höhe. Airin hockte mit verschränkten Armen auf dem Felsen über dem Steilhang. Der Blick ihrer graugrünen Augen verlor sich zwischen den Steinen zu ihren Füßen und dem stürmischen Meer der Küste. Sie dachte an Elli, Kyle, Lindon und Jajson, vier ihrer Krieger, die bereits vor einer Woche als Stoßtrupp zur Stejchon aufgebrochen waren. Ob sie noch lebten? Unwahrscheinlich. Vermutlich waren sie den Adoors in die Hände gefallen und längst tot.
    Langsam klärte sich ihr Blick, glitt über die steinernen Grabmale am Steilhang hinweg. Über die Hälfte ihres Volkes lag hier, gestorben während oder nach der Vertreibung aus dem Paak. Den Steilhang hatten die Perons als letzte Stätte ausgewählt, um es den Aas fressenden Tieren zumindest schwer zu machen.
    »Hier steckst du also.« Die tiefe Stimme war freundlich, dennoch wünschte sich Airin, Kiras würde sie endlich in Ruhe lassen. Ständig verfolgte er sie und versuchte sie genauso zu beeinflussen wie seine Mutter.
    »Kiras.« Airin musterte flüchtig seinen grüngoldenen Umhang, der seinen Status als Uneska – die Elite der Perons – zeigte. Kiras gehörte zu jenen, die in die Geheimnisse der Göttin eingeweiht waren und einstmals den Stroom beherrscht hatten. »Was willst du? Willst du mir wieder einreden, mit meiner Rache noch zu warten? Wie lange soll das noch gehen?«
    Kiras’ hellblaue Augen musterten sie wachsam. Airin ermahnte sich, aufzupassen, was sie sagte. Der schlanke junge Mann war der Sohn der Uneskaa Marii, der Anführerin der Perons.
    »Airin, bist du den ewigen Krieg nicht Leid?« Kiras’
    Stimme war eindringlich. »Die Adoors sind Geschöpfe wie wir, sie…«
    »Geschöpfe wie wir?« Airin stand auf und trat auf ihn zu.
    Sie unterdrückte den Impuls, ihm ins Gesicht zu schlagen. Nur ein weiterer Schritt und sie hätten einander berührt. »Wie kannst du es wagen, diese Blut saufenden Bestien mit den Perons zu vergleichen? Du bist ein Feigling, Kiras, nur deshalb willst du den Frieden! Du fürchtest dich vor dem Kampf! Du bist bereit, dein eigenes Volk zum Blutvieh der Adoors zu machen! Und du scheust nicht zurück, unsere Toten zu entehren!« Hasserfüllt wies Airin auf den Friedhof zu ihren Füßen. »Wie kannst du es wagen, ihr Andenken schänden zu wollen?«
    »Airin, der Krieg…«
    Airin hob ruckartig die Hand und fuhr herum. Sie hatte ein Geräusch gehört, ein leises Summen am Himmel. Es klang nicht nach einem Tier. »Sieh!« Ihr ausgestreckter Finger wies auf einen dunklen Kasten unter den Wolken, der rasch dem Boden entgegen sank. Er flog auf das Gebiet des besetzten Paaks zu. Auf das Gebiet, das einmal ihre Heimat gewesen war. Airin berührte die klobige Waffe, die an ihrer Hüfte in einem Holster steckte. Sie war die Anführerin der Krieger und hatte sich eine der wenigen nicht-elektrischen Waffen gesichert, als die Göttin Piama den Menschen den Stroom und die E-Waffen raubte und die Adoors den Paak überfielen. Die große Handfeuerwaffe war ihr Zeichen und ihr Recht. Aber das Magazin war inzwischen leer. Fast. Einen einzigen Schuss hatte sie sich aufgehoben. Für ihn. Das Bild von Herak erschien in ihrem Geist, der Anführer der Adoors. Er hatte damals den Angriff auf den Paak angeführt.
    »Was kann das sein?« Kiras kniff die Augen zusammen.
    »Das ist ein Flugwagen!« Airin spürte ihr Herz gegen ihre Rippen hämmern. In den Aufzeichnungen der Göttin stand darüber geschrieben. Marii hatte ihr davon berichtet. Mit einem Flugwagen hätte sie einen unschätzbaren Vorteil gegenüber dem Feind.
    »Sieht aus, als würde er im Paak landen.« Kiras’ Stimme zeigte sein Unbehagen. »Er wird den Adoors in die Hände fallen.«
    »Nein.« Airin packte ihre Waffe und lief hinüber zu dem Busch, an dem sie ihren Dingoo angebunden hatte. »Ich werde das verhindern. Der Flugwagen muss uns gehören!«
    Sie schwang sich auf den hohen Rücken des Tieres und nahm das einfache Zaumzeug. Der Dingoo stieß ein kurzes, abgehacktes Bellen aus. Sein rostrotes Fell schimmerte im Licht der Sonne. Die weißen Pfoten setzten sich in Bewegung.
    »Airin, das ist viel zu riskant!« Auf Kiras’ Gesicht lag Sorge.
    Airin sah ihn kalt an. »Diese Welt ist nicht für Feiglinge gemacht.« Sie neigte sich nah an das gespitzte Ohr ihres Reittieres. »Lauf schnell, mein roter Freund. Wir haben noch eine Rechnung zu begleichen.«
    ***
    Sie flogen in einer Höhe von zwanzig Metern eine flache Bucht mit tiefblauem Wasser entlang. Rote Sanddünen boten
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