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1992 Das Theunissen-Testament (SM)

1992 Das Theunissen-Testament (SM)

Titel: 1992 Das Theunissen-Testament (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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Rücksitz. Es handelte sich dabei um eine Metallschere mit fast meterlangen Griffen, um ein ganzes Sortiment an Dietrichen und sonstigem Kleingerät zum Öffnen von Schlössern, um zwei Paar Handschellen, zwei Stabtaschenlampen, eine lange Schnur und ein paar Lappen. Ihre Waffen, die sie jedoch nur im Notfall einsetzen wollten, trugen sie in ledernen Holstern am Körper, Ernesto einen SMITH & WESSON, Federico wieder eine MAUSER. Die in Chile gekauften Pistolen hatten sie auf dem Flug nicht mitführen können, aber Henderson hatte für Ersatz gesorgt. Daß dann jeder auch noch sein Taschenmesser bei sich hatte, war nichts weiter als eine Sache der Gewohnheit. Ohne Messer fühlten beide sich sogar bei einer Tauffeier nur halb angezogen.
    Vor dem Aufbruch war ein kleiner Disput entstanden. Olaf hatte unbedingt mitfahren wollen, hatte gemeint, vielleicht komme es besonders auf zahlenmäßige Stärke an. Doch Federico hatte ihm erklärt, das jetzige Vorhaben sei entschieden riskanter als zum Beispiel das MonteOsorno-Unternehmen, ja, es könne sich als lebensgefährlich erweisen, und Henderson hatte dann noch hinzugefügt, ein Feldherr habe nicht in der vordersten Linie zu stehen, sondern gefälligst auf seinem Hügel zu bleiben und die Übersicht zu behalten. Da diese Argumente ihn nicht umgestimmt hatten, war Ernesto schließlich mit dem eigentlichen Grund herausgerückt. »Bist doch Reeder«, hatte er gesagt, »und weißt, daß bei einem Konvoi das langsamste Schiff das Tempo diktiert. Du bist nicht nur zwanzig Jahre älter als wir, sondern hast auch zwanzig Kilo mehr drauf. Vielleicht wird es aber auf Schnelligkeit, auf Wendigkeit ankommen, und wenn …« An dieser Stelle hatte Olaf mit seinem »Okay, okay« den Streit beendet und den, wie er sich ausdrückte, StubenhockerJob übernommen. Daß auch Henderson an der Aktion nicht teilnahm, hatte praktische Gründe. Olaf drängte, nicht zuletzt wegen Jennys steigender Nervosität, auf Eile, und so würde der Amerikaner unterdessen in New Orleans nach der dort gelöschten Ladung der JONATHAN SEYMOUR und der LOUISIANA forschen. Auf Olafs Hinweis, er müsse mit größter Achtsamkeit zu Werke gehen, immerhin habe ihre chilenische Mitarbeiterin eine ganz ähnliche Untersuchung mit dem Leben bezahlt, hatte Henderson geantwortet, bei seiner Tätigkeit stehe er des öfteren mit einem Bein im Grab und so sei generelle Vorsicht ihm zur zweiten Natur geworden. Er war am Abend abgeflogen, nachdem er noch am Nachmittag, zusammen mit Federico und Ernesto, die Firma BOULDERS & MASTERSON – GEBRAUCHTWAGENHANDEL UND SCHROTTLAGER, die acht Meilen außerhalb von Miami an einer Lagune lag, besucht hatte. Sie waren dort ein zweites Mal als Interessenten für einen Oldtimer aufgetreten, hatten sich gründlich umgesehen und heimlich Lageskizzen angefertigt.
    »Zehn Minuten noch«, sagte Ernesto, »dann müssen wir vom Highway runter.«
»Ja, kurz hinter der Tankstelle. Wir sollten nicht ganz ans Tor fahren, sondern das letzte Stück zu Fuß gehen.«
»Klar.«
Da sie unter sich waren, sprachen sie Spanisch. »Hast du Angst?« fragte Ernesto.
»Sagen wir mal, ich fühl’ ’ne gewisse Spannung in mir. Wenn es darum ginge, in einen normalen Betrieb einzubrechen, um da, was weiß ich, ein Auto zu klauen oder die Tageskasse, wär’s halb so aufregend. Aber wir wissen, der ganze Aufwand mit den ausrangierten Autos und der Schrottmühle ist nur die Fassade, und dahinter verbirgt sich ein krimineller Verein. Demnach wird auch die Bewachung anders sein als die in einem normalen Betrieb. Na ja, das alles schafft ein besonderes Gefühl, wenn man es Angst nennt, liegt man sicher nicht total daneben.« Sie schwiegen eine Weile, bis Ernesto erneut eine Frage hatte: »Ob auch Hunde da sind?«
»Heute nachmittag hab’ ich keine gesehen. Henderson meint ja sogar, die Bewachung wird eher dürftig sein. Er sagt, wer viele Wächter aufstellt, verrät damit den Wert dessen, was zu bewachen ist. Aber ich trau’ dieser Einschätzung nicht so recht. Wir sollten lieber mit vier, fünf oder noch mehr bewaffneten Männern rechnen und nicht mit Zuständen wie in Curacavi, wo’s nur einen Nachtwächter gibt, der dann auch noch, jedenfalls alle zehn Tage, eine zahnlose Mumie ist.«
Sie waren gut vorbereitet und von Kopf bis Fuß auf eine unter Umständen lebensgefährliche Aktion eingestellt. Was ihnen aber mißfiel, war die verschwommene Definition ihrer Aufgabe. Es ging eben nicht um die Tageskasse, nicht um ein
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