Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
1981 - Richard

1981 - Richard

Titel: 1981 - Richard
Autoren: Alexander Zeram
Vom Netzwerk:
»So, meinen sie. Das war mir noch gar nicht zu Ohren gekommen.«
    »Es ist aber so, zumindest sagen das die Leute, die mich zu kennen glauben. Darum freue ich mich zwar, dass sie mich besuchen, Madame, ich möchte sie aber auch warnen, ihres Rufes wegen.«
    »Das ist mir egal«, lachte sie. »Es wird mir nicht mehr lange nachhängen, wenn überhaupt.« Sie machte eine kurze Pause. »Wir werden in ein paar Wochen nach Tahiti zurückkehren«, sagte sie dann mit fröhlicher Stimme.
    »Oh, das ist schade, Madame, auch ihres Mannes wegen. Ich habe mich immer gut mit ihm vertragen, wie überhaupt mit allen Militärangehörigen hier auf der Insel, sie waren immer mehr auf meiner Seite, sie sind mir näher als die Gendarmen, als die Pfaffen, als all diese moralischen Leute.«
    »Warum bleiben sie dann hier«, sie sah wieder auf seinen bandagierten Fuß. »Auf Tahiti würden sie auch besser versorgt als in diesem tropischen Klima.«
    Er zögerte, wollte etwas sagen, schwieg dann aber doch.
    »Noch besser würde ihnen aber Frankreich bekommen«, erwiderte sie in das Schweigen.
    Sie sahen sich sekundenlang an, dann setzte er sich langsam auf seinen Hocker. »Es ist schon mein achtes Jahr in diesem Teil der Welt. Nicht, das mir die Zeit schwer wiegt, aber ich hatte bereits den Gedanken fortzugehen, nach Frankreich, wie sie es vorschlagen.«
    Sie sah noch einmal hinunter auf seinen Fuß und dann wieder in sein Gesicht. »Es wäre wirklich besser für sie, ich meine Frankreich oder aber ein europäisches Klima.«
    »Man hat mich beschworen, es nicht zu tun«, sagte er nachdenklich. »Man gab mir zu verstehen, es sei gut, dass ich von der Welt verschwunden bin und dass ich dadurch die Unantastbarkeit der großen Toten besäße. Man hat mich beschworen und es hat mich ermutigt, auszuharren.«
    Sie sah ihn noch eindringlicher an. »Wer hat Ihnen diesen falschen Rat gegeben?«
    »Es war mehr als ein Rat«, antwortete er euphorisch. »Sehen sie mich an, ich gelte in Frankreich bereits als Vergessener, als Mythos, können sie sich das vorstellen, ich ein Mythos. Fragen sie die Leute aus dem Dorf, sie wissen nicht einmal was das ist, ein Mythos, sie kennen nur ihre Götter und ein Gott bin ich wahrlich nicht. Ich bekäme auch noch weit mehr Ärger mit den Pfaffen, wenn ich die Schäflein überzeugte, ich wäre einer.«
    »Wenn es so ist, wenn es ihre Entscheidung ist, dann will ich Ihnen nicht auch noch einen Rat geben, wenn ich es nicht schon getan habe.«
    »Danke Madame, ich danke Ihnen, ich danke Ihnen für ihren Rat und ihre Fürsorge, einem alten Wilden gegenüber.« Er zögerte. »Aber nun bin ich begierig zu erfahren, was sie zu mir führt, was kann ich nun für sie tun, Madame. Ich glaube nicht, dass sie gekommen sind, um sich von mir zu verabschieden, auch wenn ich es sehr anständig von Ihnen fände.«
    Sie nahm jetzt doch auf dem Hocker Platz, den er ihr angeboten hatte. »Ich habe meiner Cousine nach Paris geschrieben und nach Ihnen gefragt. In Paris kennt man sie.«
    Er blickte sie an, als wenn es ihm gleichgültig sei, sagte aber nichts darauf.
    »Sie haben Eindruck hinterlassen«, berichtete sie weiter. »Aber davon konnten sie dort wohl nicht leben. Ich hörte auch, dass sie in Staatsdiensten hierher gekommen sind.«
    Jetzt wurde er aufmerksam, er lächelte. »So, dann kennen sie mich doch ganz gut. Das mit dem Staatsdienst war einer meiner Irrtümer und es ist schon so lange her. Außerdem war das auf meiner ersten Reise. Ich bin noch einmal wieder nach Paris zurückgekehrt, um endgültig einen Schlussstrich zu ziehen und auch weil ich von dem, was ihre werte Cousine zu wissen glaubt, damals nicht viel gespürt habe. Es war eher ein Fiasko, das ich vergessen möchte, weil es einem Mann wie mir eigentlich nichts bedeuten sollte.« Er zögerte erneut. »Ich hoffe ich langweile sie nicht mit meinen Lebensbeichten?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, nein«, sagte sie schnell. »Sie stammen doch auch aus Paris, das interessiert mich.«
    »Da muss ich sie enttäuschen Madame. Ich bin zwar in Paris geboren, aber ich bin kein Kind dieser Stadt. Meine ersten Windeln wurden zwar noch in Paris gewechselt, aber dann wurde ich mitgenommen, hinaus in die Welt, nach Südamerika, nach Peru.«
    Sie sah ihn erstaunt an. »Dann waren sie schon immer ein Reisender und es ist weniger die Pflicht, die sie hierher geführt hat.«
    »Nein, ich bin ganz sicher kein Reisender, nicht so wie sie es meinen, eher ein Flüchtender. Paris und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher