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1980 Die Ibiza-Spur (SM)

1980 Die Ibiza-Spur (SM)

Titel: 1980 Die Ibiza-Spur (SM)
Autoren: Hinrich Matthiesen
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einem achtstöckigen Gebäude der Kölner Innenstadt eine Bombe gezündet. Es geht uns darum, Männer, die vor einem halben Menschenalter nichts weiter als ihre Pflicht getan haben, vor Diffamierung und Verfolgung zu bewahren. Gegen einen dieser verdienten Deutschen wird übermorgen der Prozeß eröffnet. Der Zweck unserer Aktion ist, zu verhindern, daß zwei Zeugen, die beiden österreichischen Juden Jacob Grünthal und Elias Winterstein, den Angeklagten zu Unrecht belasten. Weitere solcher Präventivmaßnahmen sind für die Bundesrepublik und für das Ausland geplant. Ende der Mitteilung.«

II.
    Klaus Hemmerich saß im D-Zug Kopenhagen-Hamburg. Er war allein im Abteil und sah aus dem Fenster. Die Paßkontrolle am Grenzübergang Puttgarden war erledigt. Nun raste der Expreß mit hundertvierzig Stundenkilometern durch die norddeutsche Landschaft, vorbei an den Knicks und Gräben, den vom Ostwind gebogenen Erlen und Weiden, an den kargen Frühjahrswiesen und dem grasenden Vieh.
    Klaus Hemmerich zündete sich eine Zigarette an, griff nach der neben ihm liegenden Zeitung, warf einen Blick auf die erste Seite, las eine Überschrift, dann den Bericht und erfuhr von dem Bombenanschlag und den achtzehn Toten, auch von den näheren Umständen der Bluttat, so von der BRAUNEN KOLONNE und den beiden jüdischen Bürgern, denen das Attentat gegolten hatte, die jedoch wie durch ein Wunder verschont geblieben waren. Der Bericht schloß mit der lapidaren Feststellung: »Nach unseren Informationen dürfte es das erstemal in der Geschichte des Terrorismus sein, daß diejenigen, denen der Anschlag galt, ihr Leben ausgerechnet der Bombe verdanken, weil sie ihnen den Platz wegnahm.«
    Hemmerich legte die Zeitung wieder aus der Hand. Er konnte nicht ahnen, daß er schon bald mit den Hintergründen dieses Attentats zu tun haben würde.
    Eine Weile noch dachte er an den durch die Placierung erzielten vervielfachten Effekt der Sprengladung, aber auch an den – ebenfalls durch die Placierung verursachten – Fehlschlag, an die beiden verschont gebliebenen Schneider. Und an die vielen Toten dachte er, die gar nicht gemeint gewesen waren, war entsetzt über den brutalen, hinterhältigen Mordanschlag selbst und über die gewissenlose Inkaufnahme möglicher Nebenwirkungen, die im vorliegenden Falle achtzehn Menschenleben gefordert hatte. Schließlich aber wandte er sich wieder seinen eigenen Problemen zu. Es gab welche, und sie wogen schwer.
    Er war fünfunddreißig Jahre alt und Schiffsingenieur auf
    Er war fünfunddreißig Jahre alt und Schiffsingenieur auf Tonnen-Tanker KOSMOS. Er hatte vor zwei Tagen Urlaub genommen und war nun auf dem Weg zu seiner Mutter, die in Hamburg-Blankenese wohnte. Sie war ganz allein, nachdem ihr ältester Sohn, Klaus’ vierzigjähriger Bruder Victor, die Wohngemeinschaft mit ihr unvermittelt aufgelöst hatte. Die Gründe für diesen Schritt hatte er ihr in einem Abschiedsbrief dargelegt, aber alles, was er in diesem Brief schrieb, entsprach weder seinem Wesen noch seinem bis dahin so innigen Kontakt zur Mutter, es wirkte hergeholt und theoretisch.
    Klaus Hemmerich, der von dem Ereignis in Port of Spain erfuhr, wo ihn der Brief seiner Mutter erreicht hatte, wollte sofort zu ihr fahren. Aber das ging nicht. Einer der Ingenieure war gleich nach der Ankunft in Port of Spain mit einem komplizierten Beinbruch ins Hospital gekommen, und wenn dann noch ein zweiter Mann vom Maschinenpersonal ausgefallen wäre, hätte das Schiff nicht auslaufen können. So rief er zu Hause an. Die Mutter schien sich schon etwas gefaßt zu haben. Sie sagte, er solle sein Schiff nicht ihretwegen im Stich lassen, sondern mit seinem Besuch warten, bis er, wie vorgesehen, im Mai Urlaub bekäme. Dann hatte er aber doch schon früher fahren können. Mit der SAS war er nach Kopenhagen geflogen, hatte aber in der Abendmaschine nach Hamburg keinen Platz mehr bekommen. So war er in den Nachtzug gestiegen.
    Eigentlich war er gar kein Seemann. Er hatte nach dem Abitur die Technische Hochschule besucht, seine Examen gemacht und dann plötzlich das Bedürfnis empfunden, sich die Welt anzusehen, bevor er sich beruflich in Deutschland auf einen bestimmten Ort festlegte. Für die Verwendung in der Schiffahrt hatte er eine Zusatzausbildung durchlaufen und die entsprechenden Prüfungen ablegen müssen. Nun war er schon acht Jahre bei der Seefahrt, verdiente ziemlich viel Geld, gab als Junggeselle kaum etwas aus und plante, die zehn Vagabundenjahre, wie er
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