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192 - Nah und doch so fern

192 - Nah und doch so fern

Titel: 192 - Nah und doch so fern
Autoren: Stephanie Seidel
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war ein Abgesandter der Dämonenwelt und gekommen, um sie alle zu vernichten!
    Ahnungslos lag der vermeintliche Dämon zur selben Zeit am Ufer des Schildkrötenflusses, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, und blickte hoch zu den Sternen. Ein paar Meter entfernt dümpelte Thgáan auf dem Wasser, mit entspannten Schwingen und glühendem Stirnkristall. Das Licht lockte Fische an. Wenn sie in Reichweite seiner herunter hängenden Tentakel kamen, packte er zu. Die Beute bekam Grao’sil’aana; er selbst war so konstruiert worden, dass er ohne feste Nahrung auskam.
    (Das ist das Einzige, was ich vermissen werde: meine Erholungspausen am Fluss), dachte der Daa’mure kauend.
    (Morgen um diese Zeit sind Daa’tan und ich vielleicht schon auf dem Weg zum Uluru, und bis übermorgen habe ich das Wellowin hoffentlich vergessen!)
    Er schüttelte sich. Was für ein unangenehmer Ort!
    Langweilig, wenn man von dem Intermezzo mit dem Owomba absah, und doch so anstrengend! Grao’sil’aana hatte genug davon, zusätzlich zu seinen sonstigen Aufgaben die Mandori-Führungsriege zu beeinflussen und den Schamanen im Auge zu behalten.
    Nachdenklich tippte er sich mit dem Fisch ans Kinn.
    Warnambi verhielt sich in den letzten beiden Tagen auffallend unauffällig, und es bedurfte kaum mehr als der intellektuellen Fähigkeit eines Kukka’bus, um zu merken, dass etwas nicht stimmte! Aber trotz dieser Erkenntnis konnte Grao’sil’aana nicht herausfinden, was es war. Das ärgerte ihn.
    (Warnambi ist nicht von Belang! Er wird bald nur noch eine Erinnerung sein. Daher ist jeder Gedanke an ihn eine Verschwendung. Ich weiß es, und trotzdem komme ich nicht zur Ruhe! Warum?), fragte er sich und dachte über Erklärungen nach. (Es könnte natürlich sein, dass mich die dunkle Seite des Schamanen beschäftigt. Er hat die Tochter des Anführers getötet, weil sie ihn verschmähte, und ihren Vater einer Riesenspinne zum Fraß vorgeworfen. Den Heiler, der ihn erblinden ließ, hat er am Leben gelassen, weil der Clan einen Heiler braucht. Das ist ein typisches Verhalten von Primärrassenvertretern mit psychischen Defiziten: Sie folgen ihren Rachegelüsten, handeln aber methodisch. Doch weshalb werde ich das Gefühl nicht los, dass bei Warnambi mehr dahinter steckt?)
    Grao’sil’aana runzelte die Stirn, dachte nach. Und plötzlich fiel es ihm ein. (Er will an die Macht! Warnambi hat es über das Mädchen versucht, und als das nicht funktionierte, hat er ihren Vater ausgeschaltet, um Yangingoo den Weg zu ebnen.
    Er selbst konnte nicht nach dem Amt des Anführers greifen, weil die Ereignisse dem Clan noch zu frisch im Gedächtnis waren. Mittlerweile dürfte sich das geändert haben. Aber wie wird er seinen Bruder los?)
    »Durch Taranay!«, sagte Grao’sil’aana erschrocken, sprang auf und watete in den Fluss, um sich von Thgáans Tentakeln greifen zu lassen. Wasserstreifen fielen herunter, als der Todesrochen startete. Sie glitzerten im Mondlicht.
    (Ich habe nicht weiter auf ihn geachtet, weil sein Vater ihn für dumm und träge hält, und wahrscheinlich ist er das auch.
    Aber genau das macht ihn zum perfekten Werkzeug für einen ambitionierten Intriganten wie Warnambi! Wenn er es schafft, Taranay so gegen Yangingoo aufzuhetzen, dass es zu einer tödlichen Konfrontation kommt, fallen gleich beide aus: der Anführer und sein Nachfolger. Punta ist noch zu jung für das Amt, die anderen Söhne sind ungeeignet. Wer bleibt?
    Warnambi! Bei Sol’daa’muran! Ich muss Taranay beeinflussen! Hoffentlich ist es noch nicht zu spät!) Grao’sil’aana kümmerte das Schicksal der Mandori herzlich wenig. Der Grund für seinen hastigen Aufbruch war Daa’tan: So lange der noch unter der Erde lag, durfte Warnambi nicht an die Macht gelangen! Der blinde Schamane hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er Grao Wongh-nga nicht traute. Er würde ihn fortschicken, sobald er das konnte, und wahrscheinlich auch gleich mit dem Bau der Hütten beginnen.
    Was, wenn Daa’tan bis dahin nicht erwacht war?
    ***
    Stille hielt das Wellowin umfangen, als sich Grao’sil’aana bei den Mandori-Höhlen absetzen ließ. Mondlicht erhellte den Platz, warf den riesigen Schatten des Todesrochen über die Schildkrötentore.
    Der Daa’mure ahnte nicht, was in seiner Abwesenheit geschehen war, deshalb sah er keinen Grund, Thgáan zum Bleiben aufzufordern. Er entließ ihn in den Äther, ehe er eines der Tore öffnete und sich an den Abstieg machte.
    Die große Gemeinschaftshöhle war
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