1846 - Lockvogel Larissa
Art von Sex gehört. Man konnte ihn als Cyber-Sex bezeichnen. Man holte sich die Frauen auf den Schirm, nahm mit ihnen Kontakt auf, und sie taten dann, was der User wollte. Sie zogen sich aus, sie spielten an sich herum, und es gab auch die Chance, dass sie mit anderen Personen Sex hatten. Egal, ob es sich dabei um einen Mann oder eine Frau handelte.
»Ist das sehr wichtig für Sie gewesen?«, erkundigte ich mich.
»Ja, denn bei Melvin Scott haben wir auch so etwas erlebt. Er hat ebenfalls vor dem Bildschirm gesessen und sich sein privates Model geholt. Und ob Sie es glauben oder nicht, es war ebenfalls die schwarzhaarige Frau. Zufall?«
Jetzt war ich leicht überrascht. Zeigte es aber nicht. Nein, das war kein Zufall. Das hatte etwas zu bedeuten.
»Gut gearbeitet, Mister Fox. Haben Sie auch den Namen der Frau herausgefunden?«
»Ja, sie nannte sich Larissa.«
Ich lächelte. »Klingt ja exotisch.«
»Slawisch. Aber das zieht immer, denke ich.« Jason Fox blies die Luft aus. »Weitere Spuren haben wir leider nicht gefunden. Da kann man nur die Schultern heben.«
»Schade.«
»Meine ich auch.«
»Haben Sie diese Larissa denn schon verhört?«
»Ja, wir haben mit ihr gesprochen …«
»Und?«
Jason Fox schaute auf seine Hände. »Sie war völlig überrascht. Und sie erklärte auch, dass sie sich so etwas nicht vorstellen konnte. Dass der Tote in der freien Natur gefunden worden war, das konnte sie sich auch nicht erklären. Außerdem wohnte Ray Parker dort gar nicht.«
»Und was war mit Melvin Scott? Wo fand man ihn?«
»In seiner Wohnung. Seine Schwester hat ihn gefunden. Sie hatte einen Schlüssel zur Wohnung. Einmal in der Woche kam sie und putzte. Und da hat sie ihren Bruder dann gefunden. Die Frau hat einen Schock bekommen, unter dem sie noch immer leidet.«
»Wie das?«
»Sie liegt in einer Klinik.« Fox schüttelte den Kopf. »Dieser Tote sah auch schrecklich aus. Er war angebissen worden und das nicht nur an einer Stelle des Körpers, sondern rundherum. Als hätte jemand nicht weitergemacht, weil er satt war. Das gleiche Bild haben wir auch bei Ray Parker erleben müssen.«
»Sie haben ja recherchiert«, sagte ich.
»So gut wie möglich.«
»Haben Sie dabei eine Spur gefunden? Ich will nicht sagen, dass Ray Parker einen so außergewöhnlichen Beruf hat, aber in seiner Position kann man sich leicht Feinde machen.«
»Klar, er war ein privater Schnüffler. Auch ich habe meine schlechten Erfahrungen machen müssen. Das war nicht hier, sondern in Manchester, in meinem früheren Job.«
»Und welchen Beruf übte Melvin Scott aus?«
»Ach, er war Tankwart. Er hatte eine Tankstelle gepachtet. Kein Detektiv.«
»Haben Sie sonst noch etwas gefunden, was den Leichen anhaftete und aus dem man eine Spur lesen könnte?«
»Nein, eine Spur nicht.«
»Aber?«
»Es wurde Schleim gefunden. Getrockneter Schleim.«
»Und wo?«
»An den Bissstellen.« Fox nickte. »Das war ein fremdes Material. Der Schleim gehörte nicht zum Opfer. Er musste woanders her stammen, bestimmt vom Mörder, aber welcher Mörder sondert Schleim ab? Das kenne ich nicht.«
Aber ich!
Genau das sagte ich nicht, sondern behielt es für mich. Ich wusste Bescheid. Es war ein Ghoul gewesen, und jetzt hatte ich sogar den Beweis dafür bekommen.
Sollte ich es sagen? Ich hatte meine Zweifel. Hin und her überlegte ich. Für einen normalen Menschen war es nicht einfach, sich mit den Tatsachen auseinanderzusetzen, die für sie zuvor tabu waren. Da musste man schon behutsam anfangen.
»Was ist mit Ihnen, Mister Sinclair? Sie wirken so abwesend.«
»Meinen Sie?«
»Ja.«
»Okay, das täuscht. Ich denke nur nach.«
»Sehr gut. Das haben wir auch getan. Aber wir sind zu keinem Ergebnis gekommen.«
»Schade. Ich frage mich, wo man den Hebel denn ansetzen könnte.«
Auf diese Frage bekam ich keine Antwort. Dafür schnitt der Kollege ein anderes Thema an. »Als ich hörte, wer mich besuchen kommt, habe ich mich natürlich über Sie schlau gemacht. Ich weiß, womit Sie sich beschäftigen. Und ich weiß auch, welche Erfolge Sie aufzuweisen haben. Das ist alles okay. Doch jetzt muss ich mir die Frage stellen, was Sie von mir wollen. Der Fall, den ich zu lösen habe, berührt der Ihr Gebiet? Müssen Sie sich um die beiden seltsamen Morde kümmern, die in der Tat außergewöhnlich sind?«
»Ja, das sind sie.« Ich sah dem Kollegen in die Augen. »Ob ich mich darum kümmern muss, steht noch nicht fest. Ich bin nur einem Verdacht
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