Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1842 - Ein kleiner Freund

Titel: 1842 - Ein kleiner Freund
Autoren: Unbekannt
Vom Netzwerk:
sei einfach umgefallen. Hirnschlag."
     
    *
     
    Das Transmitterzentrum lag außerhalb der Stadt. Selbst mit dem Gleitertaxi brauchte Ronald Clandor gut zwanzig Minuten vom Tower bis zu seinem Arbeitsplatz. Er ertappte sich dabei, daß seine Gedanken unablässig um Illie und Jack kreisten. Illie war traurig, das hatte er zum erstenmal gespürt. Aber sie war auf gewisse Weise auch erwachsen geworden, war nicht mehr das unbekümmerte kleine Mädchen, das sie noch vor knapp zwei Wochen gewesen war.
    „Jack ..." Suchend blickte Ron über die Skyline. Alles war so riesig, so unpersönlich. Erst Illies kleiner Freund hatte ihm das so richtig bewußt werden lassen.
    Das Taxi landete vor dem Haupteingang zum weitläufigen Transmittergelände. Tausende von Containern stapelten sich für die Abfertigung. Vor einigen Tagen hatte es bereits geheißen, daß die Abwicklung bald wieder den normalen Standard erreichen sollte und der Transmitterverkehr zur zeitversetzten Erde erneut aufgenommen werden würde. Offensichtlich war das bereits geschehen. Ron wußte es nur noch nicht, weil er sich krank gemeldet hatte.
    Harry Anderson residierte hoch über dem Gelände. Ron mußte den Kopf weit in den Nacken legen, um zu der goldglänzenden Kugel aufzuschauen, die am Ende eines zweihundert Meter hohen Turmes fast die Wolken erreichte. Zweimal war er bislang dort oben gewesen. Das Panorama war überwältigend.
    Minuten später stand Ron Anderson gegenüber. Und nicht nur ihm. Drei Abteilungsdirektoren waren ebenfalls anwesend. Ihre düsteren Mienen verhießen wenig Gutes.
    „Ich stehe zur Verfügung", begann Ronald.
    „Eben nicht." Anderson schnitt ihm mit einer knappen Handbewegung das Wort ab. „Ich hoffe, deine Genesung macht Fortschritte."
    Ron nickte knapp. Obwohl er unentwegt an Jack dachte, entging ihm nicht, daß sich Gewitterwolken über ihm zusammenbrauten. Allerdings störte es ihn herzlich wenig. Es gab Wichtigeres zu tun, als sich mit Transmittertechnik herumzuärgern.
    „Hörst du mir zu, Ronald Clandor?" fragte Anderson überraschend.
    Ron brauchte Sekunden, bis er nickte.
    „Ich habe nicht den Eindruck", fuhr sein Vorgesetzter fort. „Aber das ist wahrscheinlich unerheblich."
    Er erhob sich hinter seinem Kommandopult und kam direkt auf Ron zu. Erst zwei Schritte vor dem Transmittertechniker blieb er stehen. „Du bist ein guter Techniker, Ronald. Oder sollte ich besser sagen, du warst es? In letzter Zeit läßt deine Arbeitsweise sehr zu wünschen übrig. Du glänzt durch Zerstreutheit und geistige Abwesenheit, falls du es überhaupt noch vorziehst, zu erscheinen."
    „Ich habe mich nicht wohl gefühlt", sagte Ron schwach.
    „Natürlich. Auch der behandelnde Mediker scheint nicht besonders gut draufzusein", pflichtete einer der Abteilungsdirektoren bei. „Ich habe versucht, Auskünfte einzuholen, aber irgendwie habe ich das Gefühl, bei allen Ansprechpartnern im Tower ins Leere zu laufen. Was ist los mit dir, Ron?"
    „Nichts. - Nichts ist los mit mir, gar nichts. Ich gehe wieder an die Arbeit und ..."
    „Deine Kollegen werden dir auf die Finger schauen, Ronald. Du hast einen der verantwortungsvollen Posten, auf denen Sicherheitsdenken besonders großgeschrieben wird. Es tut mir leid, daß ich das sagen muß, aber im Augenblick entspricht deine Verfassung nicht den Vorschriften. Ich bin gezwungen, dich vom Dienst zu suspendieren."
    Clandor schüttelte den Kopf. „Das ist nicht wahr. Ich bin der Beste, den du für den Job bekommen konntest."
    „Sagen wir, du warst der Beste."
    Jack war da. Ron spürte es von einem Moment zum anderen. Nein, nicht körperlich. Es war Jacks Aura, die er wahrzunehmen glaubte, diesen Hauch von Glück und Zufriedenheit, der ihn umgab wie ein Netz aus dünnen Spinnweben.
    Auch die Direktoren schienen diese Aura zu spüren. Sie reagierten mit zunehmender Unruhe, fuhren sich mit den Fingern zwischen Hals und Hemdenkragen. Harry Anderson suchte nach einem Tuch, um sich den Schweiß von der Stirn zu tupfen.
    Augenblicke später ebbte die Aura wieder ab.
    „Ich glaube nicht, daß es noch einen Grund für Vorbehalte gibt", sagte Ronald Clandor. „Ich denke, ich begebe mich jetzt an die Arbeit."
    Anderson schien ihm nur mit halbem Ohr zuzuhören. Er nickte geistesabwesend. Gleichzeitig begann er, Notizen auf eine Folie zu schreiben.
    Keine Notizen. Ron konnte es nicht recht erkennen, doch es waren bestenfalls Kritzeleien, wie Illie sie als Zweijährige überall hinterlassen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher