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1816 - Der sanfte Henker

1816 - Der sanfte Henker

Titel: 1816 - Der sanfte Henker
Autoren: Jason Dark
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hingedeutet.
    Ihr gefiel wohl nicht, dass ich mich nicht regte. In ihrem glatten Gesicht bekam die Haut ein paar Falten. Dann holte sie zischend Luft. »Wenn du nicht anfängst, werde ich nicht zögern und schießen. Das mal vorweg gesagt.«
    »Ich weiß.«
    »Also?«
    Ich nickte ihr zu, fing aber noch nicht an, mich auszuziehen, sondern sagte mit leiser Stimme: »Was hast du mit mir vor? Willst du mich auch killen?«
    »Ganz einfach. Ich werde dafür sorgen, dass du Bekanntschaft mit der Feder machen kannst. Sie wird dich streicheln. Sie wird so nett zu dir sein. Aber das weißt du ja.«
    »Sicher.«
    »Und jetzt runter mit den Klamotten!«
    Es war ein Befehl. Und er war mit Nachdruck gesprochen worden. Sie meinte es ernst.
    Ich zog mich aus.
    Es war verrückt, ich hatte in meiner Laufbahn schon einiges erlebt, aber so einen Striptease noch nicht. Das war auch kaum zu glauben. Da stand eine Frau vor mir, die eine Waffe in der Hand hielt und auf mich angelegt hatte. Sie wollte, dass ich den letzten Faden an Kleidung verlor und mich nackt in ihre Hände begab.
    Und sie schaute zu.
    Mit der Jacke fing ich an. Es folgte der hellblaue Pullover. Das T-Shirt darunter ließ ich noch an, denn jetzt folgten die Schuhe, aus denen ich schlüpfte.
    »Die Hose auch!«
    »Ja, ja, immer langsam mit den alten Herren.« Ich nickte ihr zu. »Du wirst deinen Spaß noch bekommen.«
    »Es ist kein Spaß.«
    »Was ist es dann?«
    »Ernst. Blutiger Ernst.«
    »Das solltest du dir überlegen.«
    »Keine Sorge, das habe ich.« Sie kam nicht näher.
    Ich zog meine Hose aus und hatte nur noch die Unterhose, eine Shorts, und das T-Shirt an. Abgesehen von den Socken, die ich jetzt auch auszog.
    Und da gab es noch etwas, was Jamila Londry störte. Es war das Kreuz, das noch immer vor meiner Brust hing. Es schimmerte. Sie starrte es an und verzog die Lippen.
    »Nimm es ab!«
    »Ähm, was meinst du?«
    Sie zischte mir einen Fluch entgegen und sagte dann: »Nimm das verdammte Kreuz weg! Ich kann und will es nicht mehr sehen. Nimm es weg, sonst drehe ich durch.«
    Damit hatte ich gerechnet. Wenn ich es ablegte, dann war ich waffenlos. Aber was blieb mir anderes übrig? Ich musste gehorchen, kam ihrem Wunsch nach, streifte die Kette über den Kopf und legte sie auf das Bett. Das tat ich bewusst.
    Die Provokation klappte.
    »Runter damit!«
    »Aber ich …«
    »Runter!«, schrie sie.
    Damit hatte ich gerechnet. Kette und Kreuz schob ich an den Rand und dann darüber hinweg. Beides landete am Boden und blieb dort liegen. Okay, das hatte ich gewollt.
    »Und jetzt den Rest!«
    »Bitte was?«
    »Ich will dich nackt sehen!«, schrie sie.
    »Ja, ja, schon gut.«
    Verdammt, ich musste es tun. Ja, ich schämte mich. So etwas war mir noch nie passiert, und als ich mein T-Shirt auszog und danach auch meine Hose, da ließ ich die Frau nicht aus den Augen.
    Sie schaute zu.
    Sie schaute auch hin, und ich hörte, wie sie scharf die Luft einsaugte.
    »Reicht das?«, fragte ich.
    »Leg dich jetzt hin!«
    »Auf den Rücken?«, fragte ich.
    »Ja, wie denn sonst?«
    Ich nickte. Ich lachte oder lächelte nicht. Was hier so unnormal aussah, ein Zuschauer hätte sicherlich den Kopf geschüttelt, war in Wirklichkeit eine todernste Sache.
    Ich setzte mich schräg auf die Liege und rollte mich dann nach links. Danach rutschte ich zur Mitte hin und ließ mich langsam nach hinten sinken.
    Wenig später lag ich auf dem Rücken. Das war genau die Position, die Jamila gefordert hatte. Ich hatte das Gefühl, dass derjenige, der in meinem Körper steckte, gar nicht ich war.
    Jamila hatte sich nicht von der Stelle bewegt. Aus meiner liegenden Position hervor sah ich sie an und erkannte, dass sich bei ihr etwas verändert hatte.
    Sie hielt jetzt eine Feder in der Hand. Sie war zum sanften Henker geworden. Zumindest hatte sie sich darauf vorbereitet. Wo die Feder verborgen gewesen war, darüber konnte ich nur spekulieren. Wahrscheinlich in den Falten ihres Gewands.
    Jetzt hielt sie zwei Waffen fest.
    Zum einen meine Beretta, zum anderen die Feder, die sehr kräftig und an ihrem Ende sehr spitz war und locker die Aufgabe eines Messers übernehmen konnte.
    Wir schwiegen uns an.
    Sie aber lächelte. Und es war ein Lächeln, in dem ich den Triumph sah, den sie verspürte. Durch meine Wehrlosigkeit war sie einen großen Schritt weitergekommen.
    Sie nickte. Ich sagte nichts. Ich wollte sie auch nicht provozieren, sondern mich auf sie einstellen. Sie würde irgendetwas tun, sie würde zum
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