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1815 - Die Wiege des Teufels

1815 - Die Wiege des Teufels

Titel: 1815 - Die Wiege des Teufels
Autoren: Jason Dark
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folgenden zwei Minuten stehen und schaute nach vorn, wo der kleine Altar stand. Ein großer Blumenstrauß fiel dort auf. Martin Norwood wusste, dass er von einer Witwe stammte, die einen Blumenladen hatte. Viermal im Jahr stiftete sie einen Strauß, und jetzt wollte sie mit diesen vielen Tulpen den Frühling herbeilocken.
    Durch die Fenster bahnte sich das Tageslicht seinen Weg. Es hinterließ auf den Bänken und auf dem Steinboden helle Bahnen. Kein zweiter Mensch befand sich in der Kirche, und so ging der ehemalige Pfarrer ganz allein den Weg zum Altar.
    Er durchschritt den Mittelgang. Manchmal strich er mit der Handfläche über das dunkle Holz am Rande einer Bank. Dann wiederum schaute er zur Decke, die in einem hellen Grau gestrichen war. Es gab die Kanzel, die ebenso schmucklos aussah wie die wenigen Säulen, die die Decke stützten, und es gab auch an den Wänden einige Bilder. Sie allerdings waren von den Kindern der Gemeinde aufgehängt worden. Die Jungen und Mädchen hatten sie auch selbst gemalt.
    Norwood gefiel das. Zu seiner Zeit war das noch nicht so gewesen. Aber sein Nachfolger war auch einige Jahrzehnte jünger. Da hatte man andere Ideen.
    Dann hatte er die Strecke hinter sich gebracht. Seine Gehgeräusche verstummten.
    Vor dem Altar blieb er stehen und faltete automatisch die Hände. Er betete aber nicht. Dafür dachte er darüber nach, wo er seinen Besuch empfangen sollte. Hier in der Kirche oder davor, er konnte es sich aussuchen.
    Der große Blumenstrauß, der in einer Vase stand, wertete das Bild auf. Man hatte ihn tatsächlich auf die Altarplatte gestellt. Er nahm einen Teil des Blicks, und Norwood musste sich schon zur Seite bewegen, um einen Blick hinter den Altar zu werfen.
    Das tat er auch und war eigentlich ganz entspannt, was dann nicht mehr der Fall war.
    Plötzlich hielt er die Luft an.
    Er schrie nicht, er stöhnte auch nicht, er hatte nur vergessen, Atem zu holen.
    Das hatte seinen Grund.
    Es stand etwas da, was eigentlich nicht zu dieser Kirche gehörte. Und es stand an der Wand, aber der Gegenstand war deutlich zu sehen. Nur wollte Norwood es kaum glauben.
    »Nein«, flüsterte er, »nein, das gibt es nicht. Das kann nicht wahr sein.«
    Und doch war es wahr.
    Direkt vor der Wand stand die Wiege mit dem Totenkopf!
    ***
    Der ehemalige Pfarrer war sprachlos. Er hätte auch nichts sagen können, wenn er angesprochen worden wäre. Nein, da war er nicht fähig, eine Antwort zu geben. Er stand da, hielt die Luft an, biss sich auf die Unterlippe und schüttelte nach einer Weile den Kopf. Erst dann holte er wieder Atem.
    Danach rieb er sich über seine Augen, als wollte er das Bild wegwischen. Aber das war nicht zu vertreiben. Es blieb, es gab die Wiege, und es gab sie so, wie er sie kannte.
    Sogar der Totenkopf war da. Komischerweise blieb sein Blick nur darauf gerichtet.
    Martin Norwood schnaufte. Er musste zugleich gegen einen leichten Schwindel ankämpfen, der ihn gepackt hielt. Diese Überraschung zu überwinden war nicht leicht gewesen.
    Warum stand die Wiege hier?
    Das war die eine Frage. Dann gab es noch eine zweite. Wer hatte die Wiege hergebracht?
    Auf diese Frage wusste er erst recht keine Antwort. Da gab es viele Personen, die infrage gekommen wären, aber er war nicht in der Lage, eine zu nennen.
    Er hörte sich wieder stöhnen, dann scharf ausatmen, und dabei kam ihm ein Gedanke. Er wollte auf die Wiege zugehen, um sie zu untersuchen. Er hatte sie nie besetzt gesehen, es hatte nie ein Kind darin gelegen, wenn sie nicht eben als Taufwiege gebraucht wurde. Das hatte man den Eltern überlassen, denn nur wenige wollten, dass ihr Kind in einer derartigen Wiege lag. Da hatte man den Täufling lieber selbst getragen.
    Sie war wieder da.
    Und das gefiel Norwood ganz und gar nicht. Man wollte ihn hier an der Nase herumführen, und das hasste er.
    Er spürte, dass seine Knie ein wenig zitterten, als er sich dem Ziel näherte. Einen klaren Gedanken konnte er nicht fassen. In seinem Kopf tuckerte es. Plötzlich kam er sich in seiner ehemaligen Kirche wie ein Fremder vor.
    Dicht vor der Wiege blieb er stehen.
    Noch mal tief durchatmen. Sich konzentrieren.
    Die Wiege sah aus wie immer, denn auf ihr lag noch die rote Decke. Sie war so verteilt, dass sie an einer Seite überhing und den Boden berührte. Die beiden braunen Dachhälften aus Tuch liefen aufeinander zu und der Schädel hielt sie an dieser bestimmten Stelle zusammen.
    Er wollte etwas tun, aber er musste sich überwinden, und das
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