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1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)

1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)

Titel: 1813: Die Völkerschlacht und das Ende der alten Welt (German Edition)
Autoren: Andreas Platthaus
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die recht steilen Ufer sehen, die einem Heer damals nur wenige Möglichkeiten ließen, um das Flüsschen zu passieren.
    Vorher aber geht es hinauf nach Hohen Thekla, und das ist die Mühe des kurzen Aufstiegs wert: Die leider verschlossene massive Bruchsteinkirche, die 1959 ausbrannte, aber danach wieder restauriert wurde, ist das eindrucksvollste Gebäude der ganzen vier Tage, weil sie wie ein Drache auf ihrem Felsen thront und sich rund um sie herum über den ganzen Hügel ein alter Friedhof erstreckt, der von hohen Bäumen bestanden ist. Zwei Kanonenkugeln sind auch hier in die frisch verputzte Fassade eingelassen, denn beim Kampf um Hohen Thekla kam die Artillerie beider Seiten zum Einsatz: Nachdem die hier befindliche französische Stellung schon morgens am 18. Oktober erobert worden war und damit dem großangelegten Übergang von Nord- und Schlesischer Armee in der Nähe keine unmittelbare Gefahr mehr drohte, wurden vor der Kirche alliierte Geschütze aufgestellt. Die aber mussten wiederum eine französische Kanonade erdulden, die aus der Richtung des Vorwerks Heiterer Blick kam, eines an der Chaussee von Leipzig nach Taucha gelegenen, damals sehr beliebten Ausflugsziels der Stadtbewohner. Dorthin hatten sich französische Einheiten zurückgezogen, die zuvor noch rund um die Thekla-Kirche stationiert gewesen waren. [447] Der Heitere Blick ging im Zuge des Artilleriegefechts mit den auf Hohen Thekla aufgestellten Batterien am späten Vormittag in Flammen auf, der Kirche blieb dieses Schicksal 1813 erspart.
    Für die Weiterfahrt nach Taucha empfiehlt sich der Bus. Diese Stadt hatte am 17. Oktober einige kleinere Kampfhandlungen zu erdulden, als zur Nordarmee gehörige Kosaken, die der Hauptmacht vorangeritten waren, hier einfielen und laut Heeresbericht mehrere Hundert Gefangene machten [448] , ehe sie wieder abzogen. Sie waren letztlich doch auf einen zu starken Gegner getroffen, denn in Taucha war gleichfalls am 17. die einzige französische Verstärkung angekommen, die während der Völkerschlacht eintraf: das Korps von General Reynier, der mit seinen zwölftausend Mann, darunter fast den gesamten verbliebenen sächsischen Truppen am Vortag aus Düben, wo man bis dahin gelagert hatte, nach Eilenburg gezogen war, ehe Napoleon diese Verstärkung schnell weiter nach Leipzig beorderte. Am Sonntag, dem 17. Oktober, erreichten sie Taucha und stellten sich dann dort und am Heiteren Blick auf. Je nachdem, wo Angriffe der Alliierten erfolgen würden, konnten sie von dort aus sowohl die Parthe-Übergänge als auch die südlicher gelegenen Ortschaften Sommerfeld, Engelsdorf und Baalsdorf schnell erreichen. Eine glückliche Rolle spielten diese Einheiten indes nicht: Am Ankunftstag des Korps erfolgte gleich der Überraschungsangriff der Kosaken, und am Montag ging der Vormarsch des Gegners auf so breiter Front voran, dass Reyniers Soldaten zurückgedrängt wurden und schließlich vor allem bei der verlorenen Schlacht um Paunsdorf zum Einsatz kamen.
    Was heute eine breite Straße ist, die von Thekla über Portitz durch etliche Neubaugebiete nach Taucha führt, war 1813 nur ein Feldweg. Die eigentliche Straße zwischen Taucha und Leipzig, eine gut ausgebaute Chaussee, verlief südlich davon. Die kleine Stadt an der Parthe hatte sich auch noch nicht auf das linke Ufer des Flüsschens ausgebreitet, bot aber die einzige größere Brücke darüber. Deshalb war Taucha ein besonders geeigneter Verteidigungspunkt; man konnte einen von Osten gegen Leipzig anrückenden Feind schon auf dem jenseitigen Ufer abfangen. Das hier existierende Schloss war Anfang des neunzehnten Jahrhunderts verfallen, denn der Magistrat von Leipzig, dem das Anwesen seit 1569 gehörte, hatte kein Interesse, es zu erhalten – die Stadt profitierte vom Grundbesitz, nicht vom Herrenhaus. Ein halbes Jahrhundert vor der Völkerschlacht war die von etwa tausend Einwohnern bewohnte Ortschaft durch zwei Feuer schwer zerstört worden [449] , und 1813 waren noch immer nicht alle Ruinen beseitigt. Immerhin aber war die Kirche neu aufgebaut worden, an der man vorbeigeht, wenn man den Weg zum im Nordosten der Innenstadt gelegenen Friedhof nimmt.
    Gleich links nach dessen Eingang stehen die beiden bedeutenden Monumente zur Völkerschlacht, die Taucha aufzuweisen hat. Beide erinnern an gefallene höhere Offiziere der Alliierten: an den russischen Generalmajor Gotthard Johann von Manteuffel und an den englischen Captain Richard Bogue. Manteuffel starb in Taucha am 20.
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