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1765 - Der Imprint-Faktor

Titel: 1765 - Der Imprint-Faktor
Autoren: Unbekannt
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schließlich erreichten; mein Verstand löste sich zusehends auf, und ich konnte auch nicht mehr klar sehen. Ich begann mich zusehends von meinem Körper zu lösen, ohne daß ich es verhindern konnte.
    Dann jedoch sah ich, wie die Schotten sich öffneten, und hob den Kopf - zu schnell, denn mir wurde schwindlig, alles verschwamm vor meinen Augen. Ich spürte, wie mir etwas in die Hände gedrückt wurde.
    „Was", hörte ich Joschs Stimme neben mir, „das ist alles? Dafür haben wir alle Strapazen auf uns genommen?"
    „Josch", stammelte ich, „Josch, was ist?"
    Da hörte ich, wie Josch leise sang. Er sang!
    In diesem Moment fiel mir auf, daß mein Gehör wieder funktionierte, auch mein Blick klärte sich.
    Ich bemerkte, wie um mich herum das Stimmengeschwirr abebbte.
    Eine seltsame Stille begann sich auszubreiten, beginnend bei der Ausgabe, die sich nach hinten zu fort- und fortsetzte, nur von dem leise summenden Gesang unterbrochen.
    Verblüfft starrte ich meinen Würfel an.
    Es war alles ganz anders...
     
    *
     
    Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich fühlte. Es war genauso unbeschreiblich wie das Trauma des nahenden Todes - nur gegenteilig. Das absolute Glücksgefühl, wenn es so etwas gibt.
    Ich kann nicht einmal mehr sagen, wann und wie die Wirkung einsetzte. Ich weiß nur, daß plötzlich alles von mir abfiel - die Erinnerung an den Schmerz, die Schwäche, die Gedanken an den Tod. Der Nebel vor meinen Augen und in meinem Verstand lichtete sich, auch mein Gehör funktionierte wieder perfekt.
    „He, Schiller!" erklang Joschs Stimme vor mir. Er lachte mich mit breitem, von mächtigen weißen Zähnen beherrschten Mund an. „Du siehst wieder ganz wie der alte aus!"
    „Das war sozusagen in letzter Sekunde", stimmte ich zu.
    Ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, daß die Schiller wieder in voller Farbenpracht über meine Haut glitten. Ich fühlte mich so frisch, erholt und kräftig wie seit langem nicht mehr - seit ich den ersten Imprint erhalten hatte.
    „Ich hoffe, du entschuldigst mich", fuhr Josch fort, „aber ich möchte jetzt gern allein sein. Ich fühle mich großartig!"
    Ich nickte. „Ja, mir geht es ebenso. Ich brauche jetzt auch Zeit für mich allein und meinen Imprint."
    Ich stand auf und ging durch den Hangar zurück. Meine Füße waren nicht mehr bleiern, sondern glitten leicht, fast schwebend über den Boden.
    Ich fragte jemanden von der Besatzung, wohin ich mich zurückziehen könnte, und er beschrieb mir den Weg. Sie hätten für jeden von uns Unterkünfte hergerichtet, teilte er mir mit, damit wir uns in Ruhe erholen könnten.
    „Wunderbar", sagte ich.
    „Habe ich dich schon einmal gesehen?" rief er mir plötzlich nach.
    Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. „Nein, wir sind uns nie begegnet", erwiderte ich und sah ihn an.
    Er lächelte ins Leere hinein und murmelte etwas wie „Was wollte ich eigentlich hier, immer vergesse ich alles" vor sich hin, während er eilig weiterging.
    Ich machte mich ebenso schnell auf den Weg; erstens wollte ich niemandem mehr begegnen, zum zweiten konnte ich es nicht erwarten, endlich allein zu sein. Ein wenig bedrückte mich der Gedanke, daß ich, um meine Gabe geheimzuhalten und nicht anwenden zu müssen, sie genau aus diesem Grund dennoch anwenden mußte. Es war ein wenig pervers, zugegeben, aber meine einzige Chance, unauffällig zu bleiben.
    Und dieses kurze Sehen war eigentlich keine richtige Anwendung, nur ein flüchtiger Augenblick. Ich schadete damit niemandem und beeinflußte oder veränderte sein Leben auch nicht.
    Ich erreichte die für Süchtige reservierten Unterkünfte. Von der Besatzung begegnete mir niemand, nur Süchtige liefen mir über den Weg. Alle hatten denselben glückseligen, leeren Ausdruck auf den Gesichtern, alle drückten ihren Würfel fest an sich. Daß es keine Zusammenstöße gab, grenzte an ein Wunder, aber irgendwie schafften sie es, sich rechtzeitig aus dem Weg zu gehen.
    Ich war natürlich keine Ausnahme; sicher ging ich genauso weggetreten durch die Gänge und bemerkte nur manchmal, wie seltsam sich die anderen benahmen, was ich dann auch auf mich bezog.
    Schließlich fand ich eine für mich geeignete Unterkunft, die leerstand. Da ich keinerlei Verlangen hatte, noch einmal ein Besatzungsmitglied anzusehen, wartete ich die Zuteilung gar nicht erst ab, sondern trug mich ein und beanspruchte die Kabine damit für mich. Sie war klein und einfach eingerichtet, aber ich verlangte ohnehin nach nichts weiter als
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